Robbie Sandberg und Fabio Tralles sind Segler. Sie sind aber noch nie zusammen gesegelt. Der eine sucht das Abenteuer auf hoher See, der andere übt sich in schnellen Reaktionen auf Berliner Gewässern. Was sie eint, ist die Begeisterung für die unmittelbare Erfahrung auf dem Wasser und das Zusammenkommen mit anderen Menschen beim Segeln. „Ein cooles Hobby“, meint der zwölfjährige Fabio.

Es knallt und zischt, schaukelt und bebt – dann plötzlich ist es ruhig. Das Segel wurde angezogen, das Ruder weggedrückt, und es kommt Bewegung ins Schiff. Langsam gleitet es voran. Die Wellen plätschern leise gegen den Bug, der Wind drückt in die Segel.
Robbie Sandberg und Fabio Tralles haben ihre Boote fest im Griff. Sie sitzen beide gern selbst am Steuer und genießen die Schnelligkeit. „Wenn wir so richtig schnell sind, vibriert das Boot, das Wasser spritzt, und es fühlt sich so an, als ob man schnell über das Wasser gleiten würde“, beschreibt Fabio das Segeln. Beide Segler sind blind und nutzen den Wind auch zur Orientierung auf dem Wasser. Die Windrichtung und das Verhalten des Bootes signalisieren ihnen, wie sie ihr Boot ausrichten sollten, um Fahrt ins Schiff zu bekommen.
Segeln ist für die beiden recht unterschiedlich. Robbie Sandberg segelt seit fast 30 Jahren regelmäßig mit sogenannten Kielbooten auf der Nord- und Ostsee. Fabio ist in einem Segelverein in Berlin und segelt auf Jollen. Er ist zwölf Jahre alt und wird nun den dritten Sommer in Folge auf dem Wasser sein.
Was einen wichtigen Unterschied zwischen Kielbooten und Jollen ausmacht: Jollen können kentern, also umkippen. Segelboote mit Kiel halten sich durch ein Gegengewicht aufrecht. Auf Kielbooten kann man häufig auch schlafen. Sie sind komfortabler und eignen sich für längere Reisen auf dem Wasser. Auf kleineren Jollen ist man näher am Wasser, sie sind leichter und eignen sich für sportliches Segeln. Sowohl Jollen als auch größere Kielboote nutzen nur die Kraft des Windes, um sich fortzubewegen.
Fabio hat das Segeln auf dem Tegeler See gelernt. Jeden zweiten Samstag ist er mit dem Segelkurs vom Bund zur Förderung Sehbehinderter in Berlin auf dem Wasser. Zusammen mit einem Segellehrer oder einer Segellehrerin nutzen sie die Schulungsboote. Wenn die Grundlagen sitzen, wagen sich die Kinder und Jugendlichen allein oder zu zweit auf sogenannte Optimisten oder Topper. „Ich habe jetzt fast alles gelernt. Nur ein paar Knoten fehlen mir noch“, meint Fabio. Wie er das Boot bedienen muss, haben ihm die Lehrerinnen und Lehrer gezeigt. Wichtig sei es dann noch, auf die Windgeräusche und die Bewegung im Boot zu achten. Je nach Wetterlage sucht sich die Gruppe ein Ziel in der Umgebung oder übt in Hafennähe. Fabio findet: „Segeln ist ein cooles Hobby, bei dem man viel erleben und viel machen kann. Ich mag es, dass man auf dem Wasser und mit vielen Leuten zusammen ist.“
Unvorhersehbare Erlebnisse
Der Erlebnisfaktor steht auch für Robbie Sandberg im Vordergrund. Reisen mit einem Segelboot sind ein Abenteuer. Die Törns haben ihn schon in den Ärmelkanal, nach Irland, Norwegen und immer wieder in die Dänische Südsee geführt. „Auf der Ostsee bei Hiddensee sind wir beinahe gestrandet“, erzählt der Hamburger. Dort ist es flach und trotz Kompass und Seekarten seien sie in einer Nacht immer wieder in die Nähe der Sandbänke gekommen. Da hätten sie gern einen Ortskundigen dabeigehabt. „Das war aufregend. Ich mag am Segeln, dass man immer etwas Unvorhergesehenes erlebt“, schwärmt Robbie Sandberg.
Er hat 1997 mit dem Segeln angefangen. Damals hatte ein sehender Student bei seinem Blinden- und Sehbehindertenverein angefragt, ob nicht jemand mal mitsegeln wollte. Er hätte davon gehört, dass das möglich sei. Mit drei erfahrenen Hobbyseglern und vier blinden Frauen und Männern, die noch nie zuvor gesegelt waren, stachen sie kurz darauf in See. Es sei angenehm gewesen, dass die Segler keine Bedenken gehabt hätten, erinnert sich Robbie Sandberg. Sie hätten Zutrauen gehabt, dass sie als blinde Menschen am besten wissen, was sie leisten könnten. Und die blinden, noch unerfahrenen Seglerinnen und Segler hatten Lust, eingebunden zu werden. Auf einem Segelschiff habe jeder eine Aufgabe, für die er verantwortlich sei, sagt Robbie Sandberg: Leinen dichtziehen, Kurbeln bedienen, steuern, für Verpflegung sorgen und vieles mehr. „An Bord kann man als blinder Mensch so viel machen. Damit kann man so viel beitragen zum Teamerlebnis – das ist toll“, meint er.
Da man auf dem Meer häufig einem bestimmten Kurs folgt, hat Robbie Sandberg einen akustischen Kompass. Mit dessen Hilfe weiß er, wie er das Boot steuern soll. „Ich kann nur keinen Ausguck machen und nicht An- und Ablegen“, erklärt er. Auch zu diesen Manövern könne er aber beitragen, indem er die Leinen einhole oder Fender anbringe. Fender schützen das Boot vor dem Aufeinandertreffen mit der Kaimauer oder anderen Schiffen.
Yacht oder Jolle?
Für Fabio aus Berlin liegt das Segeln auf dem Meer noch in weiter Ferne – höchstens irgendwann mit noch mehr Wissen kann er es sich vorstellen. Aber auch der Berliner Verein macht eine Segelwoche, in der die Kinder und Jugendlichen jeden Tag segeln und auf dem Vereinsgelände schlafen.
Der Fahrtensegler Robbie Sandberg hat hingegen großen Respekt vor dem Segeln auf Jollen. Es erfordert schnelle Reaktionen und die eigenen Bewegungen übertragen sich unmittelbarer auf das Boot. Beim Yachten-Segeln sei es das Schlimmste, ins Wasser zu fallen, bei Jollen passiere es viel schneller. Fabio hatte auch erst Angst davor, mit der Jolle umzukippen. Durch das Kentertraining habe sie sich aber gelegt. Dabei bringt man das Boot mit Absicht dazu umzukippen und richtet es dann mit eigener Kraft wieder auf. „Es war sehr neu, interessant und nass“, erzählt Fabio. Und Segeln wollte er danach unbedingt wieder.
Beide, Robbie Sandberg und Fabio, empfehlen das Segeln wärmstens. Besonders für Menschen mit Sehbehinderung oder blinde Menschen sei es eine Freude, weil in der maritimen Welt vieles taktil oder akustisch zu erfassen sei. Sie genießen es, draußen zu sein, Wind und Wetter zu erleben und dann womöglich vom Schaukeln des Schiffes in den Schlaf gewiegt zu werden.
Segeln für Kinder und Erwachsen
Eine Initiative aus der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe organisiert das Projekt „Blindensegeln.de“. Es bietet die Möglichkeit, erste Erfahrungen an Bord eines größeren Schiffes zu sammeln. In diesem Sommer werden zwei Segelreisen für Erwachsene auf Traditionsschiffen in der Ostsee angeboten. Aus der DBSV-Jugendarbeit entstanden, jährt sich das „Blindensegeln“ 2025 zum 20. Mal. In Berlin können Kinder und Jugendliche sich dem Segeln im Verein anschließen. Der Bund zur Förderung Sehbehinderter lädt Interessierte ein, beim Training vorbeizukommen.
Schwerpunktthema: Wassersport
Ab in den Badeanzug, die Badehose, den Neoprenanzug oder einfach in T-Shirt und Shorts geschlüpft! Und dann auf ans Wasser: Windsurfen lernen an der Ostsee, Stand-up-Paddeln im See in der Nähe oder einfach mal wieder ins Schwimmbad gehen. Die Möglichkeiten, mit Wassersport in Bewegung zu bleiben, sind vielfältig. Im Schwerpunkt stellen wir einige von ihnen vor. Ein kleiner und ein großer Segler berichten von ihrem Hobby, und ein Taucher erinnert sich an seine Tauchsafari im Roten Meer.
- Ute Stephanie Mansion gibt einen Überblick, wie und wo blinde und sehbehinderte Menschen Wassersport treiben können. Also: "Surfen, paddeln, rudern: Los geht’s!"
- "Wenn’s spritzt und schaukelt", sind Robbie Sandberg und Fabio Tralles, zwei blinde Segler, mit Kielboot und Jolle unterwegs.
- Matthias Hecht ist sehbehindert auf Tauchsafari im Roten Meer. Er geht "Tauchen, um zu genießen"!