Wenn Journalistinnen und Journalisten von Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen etwas zum Thema Sehbehinderung oder Blindheit wissen möchten, wenden sie sich an den Pressesprecher des DBSV, Volker Lenk. Viele Themen bietet er auch selbst den Medien an. Was er sich wünscht, um sie noch besser mit Informationen versorgen zu können, und was er in seinem „Schatzkästlein“ hütet, verrät er im Interview.
Volker, wie sieht deine Arbeit als Pressesprecher des DBSV aus?
Da kann man grundsätzlich zwei Situationen unterscheiden. Die erste ist, dass sich Leute an mich wenden und um Auskünfte bitten oder um Zahlen und Fakten. Die zweite Situation ist, dass wir als DBSV ein Thema aufgreifen und damit an die Medien herantreten. Und es gibt den Sonderfall, dass wir eine Kampagne machen – unter Einbindung der Landesvereine.
Welche Medien stellen Fragen, und was wollen sie erfahren?
Das sind alle Arten von Medien von der Tageszeitung über den Fernsehsender bis zum Internetportal. Blindheit und Sehbehinderung betreffen ja quasi jeden Teil des täglichen Lebens, und das führt dazu, dass die Fragen recht unterschiedlich sind. Es wird zum Beispiel gefragt, wie blinde Menschen bestimmte Situationen erleben. Oder die Leute porträtieren einen blinden Führhundhalter in ihrem Ort und möchten von mir Zahlen und Fakten zum Thema Führhunde in Deutschland haben. Dass ich Zahlen und Faktenmaterial liefern soll zu Themen, die die Leute regional aufgreifen, kommt häufig vor.
Gibt es überregionale Medien, die besonders oft anfragen?
Leider nicht, denn ich habe natürlich Interesse daran, dass Medien mit einer möglichst großen Reichweite über uns berichten. Manchmal kommen sie auf uns zu, wenn es um Aufregerthemen geht wie E-Roller.
Welche Rolle spielen persönliche Kontakte oder ein Netzwerk, wenn du dich direkt an bestimmte Medien wendest?
Wenn sich Leute an uns gewandt haben, denen ich einen guten Service bieten konnte, also sie Zahlen oder einen Interviewpartner oder was auch immer von mir bekommen haben, kommen sie wieder. Das würde ich nicht Netzwerk nennen, weil die Leute ja nichts miteinander zu tun haben. Aber ich habe ein kleines Schatzkästlein von Leuten, mit denen die Zusammenarbeit gut geklappt hat und von denen ich weiß, dass ich sie ansprechen kann. Wenn jemand an Verkehrsthemen interessiert ist, würde ich, wenn ich ein Verkehrsthema habe, das dieser Person anbieten und ihm oder ihr persönlich eine Pressemitteilung schicken und an die nette Zusammenarbeit erinnern.
Du hast auch die Kampagnenarbeit erwähnt. Das betrifft zum Beispiel den Sehbehindertentag oder die Woche des Sehens. Wie läuft diese Arbeit ab?
Der Sehbehindertentag hat jedes Jahr ein Thema, zu dem wir ausdrücklich Medienresonanz wünschen. Im vergangenen Jahr war das Thema „Sehbehinderung und Pflege“: Bundesweit wurden Fortbildungen für das Personal in Senioreneinrichtungen angeboten.
Ein solches Thema funktioniert pressemäßig nicht unbedingt gut, aber es gibt ja auch andere Themen beim Sehbehindertentag, vor ein paar Jahren etwa die Pollermützen-Aktion. Da haben Menschen bundesweit graue Poller auf Bürgersteigen mit meist selbstgestrickten rot-weißen Mützen verkleidet. Die Aktion sollte darauf aufmerksam machen, dass die Poller nicht kontrastreich und damit für Menschen mit Sehbehinderung kaum zu sehen sind. Eine solche Kampagnen-Aktion kann man gut auf Medienresonanz anlegen, weil sie auch ungewöhnliche Bilder verspricht. Wir stellen dann den Landesvereinen eine Musterpressemitteilung zur Verfügung, sodass sie ihre regionalen Medien über die Aktion informieren können. Bei den Pollermützen konnten wir uns vor Berichterstattung kaum retten.
Neben Pressemitteilungen zu Kampagnen verschickt der DBSV viele weitere. Welche Inhalte werden darin verbreitet?
Pressemitteilungen haben verschiedene Funktionen. Oft entsteht ein Thema aus der Gremienarbeit beim DBSV. Man teilt beispielsweise mit, dass es einen Gesetzentwurf gibt, zu dem wir die und die Kritikpunkte haben. Wir wollen, dass die Welt das erfährt. Oft handelt es sich um Fachthemen, die nur darauf spezialisierte Medien und Medien aus unserer Szene aufgreifen. Vieles erzeugt kein bundesweites Presserauschen. Trotzdem hat auch dann eine Pressemitteilung ihren Sinn. Denn erstens bedeutet es, dass sich diejenigen, die in der DBSV-Familie mit dem Thema zu tun haben, auf eine Position und auf eine Sprachregelung einigen müssen. Gerade, wenn es um Kooperation geht, ist das eine gute Gelegenheit, dass sich alle darüber verständigen, was man gemeinsam erreichen will. Und zweitens, auch wenn wir mit einem Thema keine große Masse erreichen, haben wir eventuell trotzdem die Leute erreicht, die wir erreichen wollten, zum Beispiel politische Entscheidungsträger.
Für andere Pressemitteilungen kann ich bestimmte Aspekte aus einem größeren Thema herausgreifen. Das war der Fall beim Thema Sehbehinderung und Pflege. Ein Modul der Schulungsprogramme für die Pflegekräfte behandelte die Frage: Woran kann man erkennen, ob jemand blind oder sehbehindert ist? Daraus habe ich eine sogenannte Service-Pressemitteilung gemacht, in diesem Fall war der Service: So erkennen Sie, dass jemand blind oder sehbehindert sein könnte. Gerade bei Sehbehinderung ist das ja oft nicht so einfach zu erkennen. Das habe ich zum Beispiel der Nachrichtenagentur dpa angeboten, die die Pressemitteilung als Meldung weiterverbreitet hat – sie wurde dann von vielen Medien aufgegriffen.
Wie oft wird im Durchschnitt eine Pressemitteilung von den Medien aufgegriffen?
Das ist extrem unterschiedlich. Die Nischen-Pressemitteilungen, die ich vorhin erwähnt habe – etwa, dass sich der DBSV zu einem Gesetzentwurf äußert –, werden vielleicht von acht, neun Medien aufgegriffen. Wenn es hingegen ein Aufregerthema gibt und wir dazu etwas Neues zu verkünden haben, dann kann das ganz anders losgehen.
Im vergangenen Jahr haben wir eine Pressemitteilung zum AVAS herausgebracht, also zum akustischen Warnsignal für geräuscharme Autos. In dem Fall konnten wir zusätzlich zum Aufregerthema als Neuigkeit eine Studie liefern, die beweist, dass das AVAS-Geräusch, wie es im Moment gesetzlich vorgeschrieben ist, nicht ausreicht, um Menschen – und nicht nur solche mit Seheinschränkung – vor einem geräuscharm fahrenden Auto zu warnen. Ich habe einen Monat lang versucht, die Mitteilung bei einer Nachrichtenagentur unterzubringen. Dann hat endlich dpa die Meldung aufgegriffen. Drei Tage später haben wir sie auf über 200 Internetseiten gefunden, darunter auch bei großen Medien wie sueddeutsche.de. Das hat also super funktioniert.
Welche Anfrage von Medien ist dir besonders in Erinnerung geblieben, weil sie besonders herausfordernd oder kurios war?
Da würde ich gern mein Klagelied über die wirklich miese Faktenlage in unserer Szene singen. Es gibt nur sehr wenige Zahlen in unserem Bereich. Wir haben noch nicht einmal Zahlen, wie viele blinde und sehbehinderte Menschen es in Deutschland genau gibt. Jede Woche fragen mich Leute nach solchen Zahlen. Ich habe dazu etwas auf unserer Internetseite veröffentlicht, damit ich nicht alle fünf Minuten diese Fragen beantworten muss. Und dann rufen sie an und sagen, sie hätten es auf der Internetseite gelesen, könnten es aber nicht glauben, es müsse doch irgendwelche Zahlen geben. Dann antworte ich: Nein, gibt es nicht, tut mir leid. Und der Journalist, die Journalistin sagt zum Beispiel: Ja, aber ich brauche auch nur die Zahl der minderjährigen Führhundhalter in unserem Sendegebiet. Ich erkläre dann, dass ich die natürlich erst recht nicht kenne, wenn ich noch nicht einmal weiß, wie viele blinde Menschen es in Deutschland gibt. Das ist mein täglich Brot – der eklatante Mangel an statistischen Zahlen. Ich kämpfe immer wieder darum, dass die Medien das auch schreiben und nicht behaupten, laut DBSV gibt es so und so viele blinde und sehbehinderte Menschen. Sie können schreiben, dass es erstaunlicherweise keine Zahlen in diesem Bereich gibt und dass der DBSV die Lage so und so schätzt. Ein großes Ziel ist, dass sich da endlich etwas ändert und Zahlen zu Blindheit und Sehbehinderung offiziell erhoben und veröffentlicht werden.
Schwerpunktthema Die DBSV-Medienwelt
Sie ist vielfältig, sie ist bunt und sie wächst: Die Medienwelt des DBSV hat sich in den vergangenen Jahren stark vergrößert – natürlich auch aufgrund der Digitalisierung. Und nun kommt ein weiteres Medium hinzu: Sichtweisen-online heißt die Website, auf der von nun an vertraute und neue Inhalte des Magazins zu finden sind. Welche Chancen das bietet und wie reichhaltig die Medienwelt des DBSV noch ist, zeigt dieser Schwerpunkt.
-
Warum ein Online-Portal und was Sichtweisen-online alles kann: In „Die Sichtweisen gehen online“ stellt Redakteurin Lisa Mümmler die neue DBSV-Website vor.
-
„Was die Welt erfahren soll“, verrät DBSV-Pressesprecher Volker Lenk im Interview.
- Social Media als direkter Draht zum DBSV: Was die Community bewegt, gibt’s in „Verbindung und Austausch“.
- Kurznachrichtendienst Twitter wurde zu X Social-Media-Redakteurin Antje Olzem beleuchtet Hintergründe und Folgen in „Ein Vogel wurde ausge-iXt“.
- „Ein Fenster zur Welt“: Das "Tagesnachrichtenblatt für Taubblinde" informiert über Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. Redakteurin Christine Günzel über die „kleinste Tageszeitung Deutschlands“.