Hörfilm: „So sollte eine Juristin sein“
Interview mit Christina Athenstädt

· Ute Stephanie Mansion

Christina Athenstädt mag es, wie die TV-Rechtsanwältin Romy Heiland ihren Mandantinnen und Mandanten hilft. Die Schauspielerin spielt seit der zweiten Staffel die Romy in der ARD-Serie „Die Heiland – Wir sind Anwalt“. Was ihr an der Rolle schwerfällt, welches Hilfsmittel sie toll findet und wofür ihr die Serie die Augen geöffnet hat, erzählt sie im Interview. Und auch, wie sie es mit der Audiodeskription hält.

Christina Athenstädt in ihrer Rolle  als Romy Heiland. Sie hat kinnlanges,  seitlich gescheiteltes Haar und  trägt eine Anwaltsrobe.
Bild: Das Erste

Frau Athenstädt, wie haben Sie sich auf die Rolle der Romy Heiland vorbereitet?

Ich bin mit der blinden Rechtsanwältin Pamela Pabst unterwegs gewesen, wir habe zusammen Kaffee getrunken, und wir waren mehrfach zusammen im Gericht. Ich durfte ihr vor allem in ihrer Kanzlei über die Schulter sehen, was sehr wertvoll für mich war, weil ich dort all das gesehen habe, was ich für die Serie brauchte – auch die ganzen technischen Geräte, die es gibt, wofür sie da sind, wie man sie bedient usw. Das konnte sie mir aus erster Hand alles demonstrieren. Auch für das Langstocktraining hat sie mir Tipps gegeben, aber das habe ich auch mit einem Mobilitätstrainer gemacht. Wir waren im Park unterwegs, und ich habe eine Augenbinde getragen.

Hat Sie irgendetwas besonders überrascht im Hinblick auf Menschen mit Sehbeeinträchtigung, zum Beispiel, was Hilfsmittel möglich machen?

Ich war da ganz naiv und hatte keine Ahnung von irgendetwas. Überrascht war ich nicht, hatte aber vergessen, dass gerade die Neuerungen, die wir alle benutzen, für Menschen mit Sehbeeinträchtigung auch großartige Hilfsmittel sind, etwa die Sprachsteuerung im Handy und die Möglichkeit, sich Dinge vom Rechner vorlesen zu lassen. Ich denke, das sind alles Sachen, die für Menschen mit Sehbehinderung in der Arbeitswelt unschätzbar wertvoll sind. Und dann fand ich natürlich diese spezielle Tastatur toll – ich habe vergessen, wie sie heißt …

Die Braillezeile?

Ja, genau. Ich kann sie nicht korrekt bedienen, ich tue in der Serie nur so als ob. Die Kamera zeigt das nie richtig, ich sage immer: Geht mal mit der Kamera so richtig drauf, damit die Leute auch verstehen, wofür das Gerät ist. Denn ich glaube, bei dem, was wir zeigen, kann man nicht so richtig sehen, ob ich da auf der Tastatur herumtippe oder ob ich eine Braillezeile bediene. Ich würde das alles gerne viel ausführlicher zeigen und erklären, weil ich das irre spannend finde. Aber man muss ja in so einer Serie auch eine Geschichte voranbringen, da hat man für so etwas vielleicht nicht so viel Zeit.

Was fiel Ihnen besonders schwer, und was fiel Ihnen leicht bei der Darstellung der blinden Anwältin?

Am schwierigsten finde ich es, meine Augen so wirken zu lassen, als ob sie nicht sehen. Damit bin ich auch nie ganz glücklich. Ich imaginiere eine Art Nach-Innen-Sehen und stelle mir das, was ich denke, vor. Das bewirkt, dass ich mein Gegenüber, selbst wenn ich die Augen in dessen Richtung richte, nicht wirklich wahrnehme. Ich kann also nachher nicht immer sagen, wie der Schauspieler, der vor mir steht, gespielt hat – ich habe ihn tatsächlich meistens nur gehört. Es fühlt sich richtig an, aber wenn ich nachher eine Folge sehe, bin ich oft mit mir selbst nicht zufrieden. Dann denke ich: Das hättest du besser machen müssen.

Womit ich gerne spiele, ist der Langstock. Den finde ich toll, und ich mag es auch, mir Zeit zu lassen, als Romy Heiland meinen Weg zu finden, wenn ich ohne Begleitung gehe.

Hat sich Ihre Einstellung gegenüber Menschen mit Sehbeeinträchtigung durch die Rolle verändert?

Sie sind mir jetzt mehr im Bewusstsein. Ich hatte vorher keine Begegnung mit Menschen mit Sehbeeinträchtigung und bin dankbar, dass ich jetzt meine Aufmerksamkeit auf sie lenken durfte. Ich nehme jetzt Dinge wahr, die für Menschen mit Sehbehinderung relevant sind, zum Beispiel in der Stadt, im Städtebau. Mir war vorher völlig unklar, wofür diese Noppen auf dem Bahnsteig sind, das habe ich überhaupt nicht als etwas Relevantes wahrgenommen, und es ist gut, dass ich das jetzt sehen und spüren kann. Ich habe auch das Gefühl, mir begegnen jetzt öfter Menschen mit Sehbeeinträchtigung. Vielleicht ist mir das vorher nicht so bewusst gewesen. Jedenfalls finde ich das sehr schön.

Menschen mit Behinderung kommen in Film und Fernsehen nicht häufig vor, und wenn, steht oft die Behinderung als Problem im Mittelpunkt. Glauben Sie, daran wird sich langfristig etwas ändern?

Im Moment ändert es sich schon ein bisschen. Ich hoffe, dass sich das fortsetzt. Ich hoffe, dass auch Schauspieler mit Behinderung mehr zu sehen sein werden und auch Rollen übernehmen können, die nicht explizit auf die Behinderung hin geschrieben sind. Das fände ich toll, wenn wir das schaffen würden im Fernseh- und Filmbereich Deutschlands. Das hätte für alle einen großen Mehrwert. An der „Heiland“ finde ich toll, dass es eine Serie mit einer blinden Hauptfigur ist, bei der die Blindheit nicht im Vordergrund steht. Es geht nicht darum, warum Romy blind ist, ob die Blindheit geheilt werden kann oder nicht, sondern sie hat eine Sehbeeinträchtigung oder ist blind und ist Rechtsanwältin. Manchmal muss sie größere Hürden überwinden, aber vor allem hilft sie in jeder einzelnen Folge ihren Mandanten.

Ich finde es schön, dass ich ein Teil dieser Serie sein darf, weil ich glaube, dass die Serie Seh- und Hörgewohnheiten für das Publikum verändert. Und deswegen: Grundsätzlich mehr davon! Und natürlich auch Schauspielerinnen und Schauspieler, die eine Beeinträchtigung haben: Unbedingt mehr davon! Ich glaube, wir sind endlich bereit, das zu denken.

Auf einer Treppe stehen von links nach rechts: Ringo Holländer, Romy Heiland und Tilly Vogel.
Bild: Das Erste

Haben Sie „Die Heiland“ oder andere Filme und Serien schon mal mit Audiodeskription verfolgt?

Ja, das habe ich bei der „Heiland“ tatsächlich gemacht. Am besten, man macht das mit geschlossenen Augen, wenn man sehend ist, weil man dann das ganze Erlebnis haben kann. Wenn man sozusagen beides hat, den Seheindruck und die Audiodeskription, ist es zu viel. Ich habe es gerne mit geschlossenen Augen verfolgt und fand es sehr spannend. Es ist eine große Herausforderung für uns Schauspieler, wir müssen da sehr aufpassen und sehr genau sein, an ein blindes Publikum zu denken. Da ist unsere Stimme gefragt, denn wenn wir gut sind, hört man alles, was wir zum Ausdruck bringen wollen, und das ist der Anspruch.

Was mögen Sie an der Figur der Romy Heiland?

Ich mag ihre Konsequenz. Die habe ich persönlich nicht so. Sie ist sehr eigen und ein bisschen konservativ, und das mag ich irgendwie auch an ihr. Das ist zwar ganz anders als ich so bin, aber ich spiele das gerne. Romy ist trotz ihres eher traditionellen Herangehens an die Dinge sehr offen für die Belange ihrer Mandantinnen und Mandanten. Sie wertet wenig. So sollte eine Juristin sein: offen, eine gute Zuhörerin und eine konsequente, gradlinige, durchsetzungsstarke Person.

Nun beginnt die vierte Staffel – hoffen Sie auf eine fünfte Staffel?

(Kurzes Zögern). Ja. Es gibt natürlich auch andere Sachen, die man machen will, aber mit Romy hätte ich doch gerne noch eine Zeit.

Schwerpunktthema Hörfilm

Welche Filme haben in diesem Jahr den Deutschen Hörfilmpreis für die beste Audiodeskription erhalten? Darüber berichten wir ebenso wie darüber, was sich Gäste der Preisverleihung im Bereich Hörfilm noch wünschen. „Die Heiland“, die Serie um eine blinde Anwältin, ist wieder am Start – auch zum Hören. Mit Hauptdarstellerin Christina Athenstädt und der blinden Anwältin Pamela Pabst sprechen wir über Fiktion und Wirklichkeit, Audiodeskription und Menschen mit Behinderung in Film und Fernsehen.

  • "So sollte eine Juristin sein" - Was Christina Athenstädt an ihrer Rolle in „Die Heiland – Wir sind Anwalt“ schwerfällt, welches Hilfsmittel sie toll findet und wofür ihr die Serie die Augen geöffnet hat.
  • Die blinde Strafverteidigerin Pamela Pabst ist "Die Frau, die Romys Fälle füttert". Sie lieferte die Inspiration zur Serie "Die Heiland" und spricht über Unterschiede und Parallelen zur Fernseh-Anwältin.
  • Wer die Gewinner des Deutschen Hörfilmpreises 2023 sind, gibt es in "ADele für die Besten".

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