Hörfilm: Die Frau, die Romys Fälle füttert
Interview mit Pamela Pabst

· Ute Stephanie Mansion

Es sind keine Fälle aus ihrer Kanzlei, die die blinde Anwältin Romy Heiland in der Serie „Die Heiland“ annimmt, betont Pamela Pabst. Das Buch der blinden Strafverteidigern „Ich sehe das, was ihr nicht seht“ lieferte die Inspiration zu der Serie. Ihr Alltag unterscheidet sich stark von dem der Fernseh-Anwältin – trotzdem erkennt sie Parallelen. Was sie sich noch von der Serie wünscht, berichtet sie im Interview.

Pamela Pabst und Christina Athenstädt, beide in schwarzer Robe, stehen in einem  Gerichtssaal, Pamela Pabst trägt ihr helles Haar hochgesteckt.
Bild: Das Erste

Frau Pabst, wie war es für Sie, nach dem Tod von Lisa Martinek, der ersten Darstellerin der Romy Heiland, mit einer neuen Darstellerin zusammenzuarbeiten?

Ich habe mich sehr gefreut, dass es nach dem Tod von Lisa, der ja für uns alle ein riesiger Schock war, möglich war, die Reihe mit Christina Athenstädt als neuer Darstellerin fortzusetzen. Auf der einen Seite war ich natürlich traurig wegen des Verlusts eines Menschen, auf der anderen Seite glücklich, dass die Figur mit dem Tod Lisas nicht gestorben ist, sondern weiter existiert.

Fühlen Sie sich in der Serie gut dargestellt?

Ich bin zwar sozusagen das Vorbild für die Serienfigur, aber es ist keine Serie über mich, sondern über Romy Heiland, und ich finde es sehr gut, wie Romy dargestellt wird.

Erkennen Sie sich denn als Anwältin teilweise wieder?

Total. Ich ermutige das Filmteam auch immer, das von mir zu nehmen, was sie brauchen, um die Figur so realistisch wie möglich darzustellen, und von daher finde ich es hervorragend, wenn wir viele Gemeinsamkeiten, Überschneidungen und Parallelen haben.

Stammen die Fälle der Serie aus Ihrem Buch oder aus Ihrer Kanzlei, oder gehen sie auf die Fantasie der Drehbuchautorinnen und -autoren zurück?

Kein einziger Fall aus der Serie stammt von mir. Ich lege großen Wert darauf, dass es keine Fälle aus meiner Kanzlei sind, sondern ausgedachte Fälle. Ich möchte mich nicht an den Biographien der Menschen, die ich verteidige, auf diesem Wege bereichern. Ich liefere natürlich Alltagssituationen, ich liefere Versatzstücke aus meiner Tätigkeit, Erlebnisse, Begebenheiten, Problemstellungen und füttere damit die Fälle, die gezeigt werden. Aber sie stammen nie eins zu eins aus meiner Kanzlei.

Filmszene aus der Serie „Die Heiland – Wir sind Anwalt“. In der Mitte steht Romy Heiland  mit einem Langstock, hinter ihr ein Begleiter. Sie unterhalten sich mit einem Mann
Bild: Das Erste

Spielen Sie in Ihrem Beruf als Strafverteidigerin auch ab und zu Detektivin und klären Fälle auf, wie Romy Heiland das macht?

Grundsätzlich unterscheidet sich der Alltag einer Rechtsanwältin von dem, was Romy tut. Romy läuft ja oft durch die Gegend, redet mit den Leuten und findet hier was raus und da was raus. Richtige Anwaltsarbeit sieht so natürlich nicht aus. Aber ich habe Verständnis dafür, dass es so dargestellt wird, um den Zuschauern etwas zu bieten. Im Gerichtssaal ist es schon so, wie es bei Romy gezeigt wird, aber ansonsten habe ich viel Aktenarbeit, zum Beispiel werden mir viele Sachen vorgelesen – das kann man so im Fernsehen natürlich nicht zeigen.

Die vielen Außentermine, die dargestellt werden, gibt es in der Realität also nicht?

Genau. Ich bin eigentlich nur dann draußen, wenn ich auf dem Weg zum Gericht bin und vom Gericht wieder zurück und vielleicht im Café irgendwo einen kleinen Zwischenstopp einlege. Aber man geht nicht zu irgendwelchen Leuten hin und befragt sie.

Wie beurteilen Sie die Audiodeskription der Serie?

Ich finde es grundsätzlich gut, dass es sie gibt. Es wäre ein Skandal, wenn eine Serie über eine blinde Anwältin keine Audiodeskription hätte. Es hätte ja auch gar keine Gelder für die Serie gegeben, wenn es keine Audiodeskription gäbe. Ich finde die Audiodeskription gut und sehe die Serie gelegentlich mit und gelegentlich ohne Audiodeskription, manchmal auch ein und dieselbe Folge einmal mit und einmal ohne.

Haben Sie Lieblingsfilme oder -serien, die Sie mit Audiodeskription sehen?

Ich habe bisher das, was ich im Fernsehen gesehen habe, eher am Inhalt ausgerichtet, nicht an der Audiodeskription. Ich habe jedenfalls noch nie abgeschaltet, weil ich die Audiodeskription so schlecht fand.

Was wünschen Sie sich von Film und Fernsehen hinsichtlich der Darstellung von Menschen mit Behinderung?

Ich wünsche mir, dass Menschen mit Behinderung so realistisch wie möglich dargestellt werden, dass ihnen also weder irgendwelche übersinnlichen Fähigkeiten angedichtet werden noch, dass sie als total hilflos und Trauerkloß verkauft werden. Das setzt natürlich voraus, dass ein Filmteam eine gute Beratung hat und dass Schauspielerinnen und Schauspieler sich mit Menschen mit Behinderung zusammensetzen, wenn sie eine entsprechende Rolle spielen sollen.

Romy Heiland von der Seite: sie trägt eine schwarze Robe und hält einen Langstock in der Hand.
Bild: Das Erste

Was würden Sie sich für die Serie „Die Heiland“ noch wünschen?

Ich wünsche mir, dass die Verantwortlichen die Gelegenheit, Menschen zu unterhalten, auch nutzen, um den Zuschauerinnen und Zuschauern viele Hilfsmittel nahezubringen und ihnen zu zeigen, wie Menschen mit Behinderung ihren Alltag bestreiten. Und dass sie auch zeigen, wo Romy nicht allein weiterkommt, wo sie Unterstützung braucht.

Vielleicht könnten auch Sportarten gezeigt werden, die man mit einer Behinderung ausüben kann. Es wäre schön, wenn alles, was in unserem Leben so stattfindet, irgendwie in der Serie untergebracht werden kann. Aber die Zeit ist halt begrenzt, eine Folge hat ja nur 45 Minuten.

Haben Sie sich schon mal mit dem Thema Cripping up beschäftigt? Es wird ja manchmal in Communitys diskutiert, ob Figuren, die eine Behinderung haben, in einem Film oder in einer Serie auch von Menschen mit Behinderung dargestellt werden sollten.

Ich persönlich habe keinerlei Problem damit, dass Romy als blinde Person von einer nicht blinden Person dargestellt wird. Für Schauspieler, die eine Behinderung haben, wäre es natürlich eine große Chance, wenn sie eine entsprechende Figur spielen könnten. Ich denke, dass eine Person mit Downsyndrom gut eine Figur mit Downsyndrom spielen könnte. Sie würde Qualitäten mitbringen, wie sie realer nicht sein könnten. Auch bei einem Rollstuhlfahrer, einer Rollstuhlfahrerin könnte ich mir vorstellen, dass er oder sie das gut hinbekommt. Ich als blinde Person kann mir aber nicht vorstellen, eine sehende Person zu spielen, jemanden zu verfolgen oder so etwas. Ich glaube, dass man als sehbehinderte Person aufgrund eines eingeschränkten Bewegungsradius vielleicht Probleme hätte, bestimmte Rollen tatsächlich abzudecken oder zu bekommen.

Am 29. August beginnt die vierte Staffel von „Die Heiland“. Hoffen Sie auf eine fünfte Staffel?

Absolut. Ich habe von Anfang an gehofft, dass die Serie möglichst lange geht und freue mich, dass es nun schon eine vierte Staffel gibt. Eine Fortsetzung hängt natürlich vom Publikum ab:

Wenn wir eine gute Quote haben, wird es sicher weitergehen, und wenn es keiner guckt, wird es halt nicht weitergehen. Wir geben alles dafür, dass es weitergeht.

Schwerpunktthema Hörfilm

Welche Filme haben in diesem Jahr den Deutschen Hörfilmpreis für die beste Audiodeskription erhalten? Darüber berichten wir ebenso wie darüber, was sich Gäste der Preisverleihung im Bereich Hörfilm noch wünschen. „Die Heiland“, die Serie um eine blinde Anwältin, ist wieder am Start – auch zum Hören. Mit Hauptdarstellerin Christina Athenstädt und der blinden Anwältin Pamela Pabst sprechen wir über Fiktion und Wirklichkeit, Audiodeskription und Menschen mit Behinderung in Film und Fernsehen.

  • "So sollte eine Juristin sein" - Was Christina Athenstädt an ihrer Rolle in „Die Heiland – Wir sind Anwalt“ schwerfällt, welches Hilfsmittel sie toll findet und wofür ihr die Serie die Augen geöffnet hat.
  • Die blinde Strafverteidigerin Pamela Pabst ist "Die Frau, die Romys Fälle füttert". Sie lieferte die Inspiration zur Serie "Die Heiland" und spricht über Unterschiede und Parallelen zur Fernseh-Anwältin.
  • Wer die Gewinner des Deutschen Hörfilmpreises 2023 sind, gibt es in "ADele für die Besten".

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