Vom verwilderten Grundstück zur grünen Oase: Die sehbehinderte Selda Arslantekin und ihre Assistentin Figen Bozoglu haben mit harter Arbeit gemeinsam einen Schrebergarten und einen Garten am Haus in gepflegte, ertragreiche Genussgärten verwandelt. Das inklusive Gartenteam berichtet, wie es sich die Arbeit teilt, was es bereits geschafft hat und was es noch vorhat mit den Gärten.

Figen Bozoglu: Vor einem Jahr haben wir einen Schrebergarten übernommen, aber er war damals sehr verwildert. Es war harte Arbeit nötig, um ihn in einen schönen und nutzbaren Zustand zu bringen. Wir haben eine Wiese angelegt und ein Gewächshaus gebaut. Wir haben viele Pflanzen angebaut, darunter Gurken, Tomaten, verschiedene Paprikasorten und Gewürze. Der Garten musste komplett zurückgeschnitten und gepflegt werden, damit er wieder ordentlich aussieht. Jetzt können wir ihn richtig genießen und für den Anbau von Gemüse und Kräutern nutzen.
Selda Arslantekin: Überall wucherte Unkraut, Müll hatte sich angesammelt, und Wege, Steinplatten und Sitzgelegenheiten waren zugewachsen oder beschädigt. Im ersten Schritt haben wir alles Überflüssige entfernt. Wir haben Unkraut und ungewollte Pflanzen herausgerissen, Steinplatten von Moos gereinigt, die Abfälle entsorgt und den Garten allmählich wieder in eine gepflegte Form gebracht.
Nachdem wir die gröbsten Aufräum- und Reparaturarbeiten abgeschlossen hatten, machten wir uns Gedanken darüber, wie wir den Garten neu gestalten wollten. Für den Gemüse- und Kräuteranbau entschieden wir uns für eine vielfältige Auswahl an Pflanzen. Wir bauten verschiedene Tomatensorten an, darunter kleine Cocktailtomaten, Melonentomaten und Eiertomaten. Ergänzt wurde das Gemüsebeet durch Gurken und Rucola, die sich gut in das Konzept unseres Gartens einfügten. Auch Kräuter fanden ihren Platz: Basilikum und Rosmarin zum Beispiel sorgen nicht nur für eine aromatische Ernte, sondern ziehen auch nützliche Insekten an.
Zusätzlich bauten wir verschiedene Arten von Minze an. Die duftenden Blätter eignen sich nicht nur für Tee und frische Sommergetränke, sondern tragen auch zur natürlichen Schädlingsabwehr bei. Ein neuer Stachelbeerstrauch wurde gesetzt, um in Zukunft Beeren ernten zu können. Die bestehende Weintrauben-Pergola wurde sorgfältig zurückgeschnitten, damit sie gesund weiterwachsen und reiche Ernte liefern kann. Nach und nach verwandelte sich der Garten in eine grüne Oase, die nicht nur funktional, sondern auch einladend und ertragreich wurde.
Ende vergangenen Jahres bin ich in ein Haus mit einem großen Garten gezogen – auch dieser Garten befand sich in einem stark verwilderten Zustand. Auch ihn haben wir entrümpelt, Unkraut gejätet und kaputte Bäume, Sträucher und Hecken herausgerissen. Der Efeu wurde bis auf die Wurzeln zurückgeschnitten. Ein Steinofen kam darunter zum Vorschein. In den Hecken fanden wir viel Müll, den wir entsorgt haben.
Der Hausgarten soll eher ein Ziergarten mit schönen Blumen werden. Ein Kirschbaum und ein Apfelbaum wurden gepflanzt. Hortensien, eine Rose und eine Japanische Kirsche kamen hinzu. Angelegt werden muss noch der Rasen. Durch die jahrelange Vernachlässigung ist kein Gras mehr vorhanden.
So funktioniert das inklusive Gartenteam
Figen Bozoglu: Als Assistentin unterstütze ich Selda in den Bereichen, die für sie aufgrund ihrer Sehbehinderung schwieriger sind. Zum Beispiel helfe ich ihr beim Zurückschneiden von Bäumen, da es für sie schwer ist, die genauen Stellen zu erkennen. Auch beim Unkraut-Jäten unterstütze ich sie, indem ich zeige, wo es wächst, oder es selbst entferne. Wenn wir neue Pflanzen setzen, erkläre ich ihr genau, wo sich die Beete befinden und wie die Pflanzen angeordnet sind, damit sie sich gut orientieren kann. Beim Gießen überprüfe ich, ob Wasser gleichmäßig verteilt ist, und im Gewächshaus achte ich darauf, dass alles optimal wächst.
Selda Arslantekin: Meine Assistenz Figen ist natürlich für das Sehen zuständig, wenn es darum geht zu entscheiden, was herausgerissen werden soll und was nicht. Ich brauche ihren Blick, da sie den Unterschied zwischen den Pflanzen erkennen kann. Ich kann sie zwar ertasten, bin aber noch unerfahren. Da sie schon länger gärtnert, kann sie diese Entscheidungen gut treffen. Zum Beispiel hat sie alles herausgerissen, während ich die Pflanzen in die verschiedenen Grüntonnen sortiert habe. Anschließend habe ich das Grüngut gemeinsam mit meiner anderen Assistenz zum Wertstoffhof gebracht. Das Einpflanzen übernimmt Figen auch. Ich bringe ihr die Blumen und die Erde, helfe beim Tragen und unterstütze beim Umgraben und Düngen. Figen setzt die Pflanzen dann an die richtigen Stellen. Das Gießen kann ich wiederum übernehmen, nachdem sie mir gezeigt hat, wo die Pflanzen stehen. Ich merke mir die Positionen, damit ich sie beim nächsten Mal selbstständig gießen kann.
Zusammengefunden haben wir durch unsere langjährige Freundschaft. Figen suchte zufällig nach einer Arbeit, ich suchte zufällig nach einer Freizeit-Assistenz im Rahmen des Persönlichen Budgets – es hat einfach gepasst. Erst danach kamen die Gärten.
Ich hätte nie gedacht, dass ich als gesetzlich blinde Person mit zwei Prozent Sehvermögen in der Lage wäre, Gartenarbeiten zu erledigen, unterschiedliche Pflanzen durch Berührung zu erkennen und mit Unterstützung einen wunderschönen Genussgarten zu gestalten. Besonders faszinieren mich die verschiedenen Düfte und die Vielfalt der Nutzpflanzen – vor allem jene, die ich besonders mag. Ich kann genau die Tomaten anbauen, die mir schmecken, Gurken und Beeren pflanzen, die ich gern esse. Das ist es, was mich am Gärtnern so begeistert.
Bei Blumen geht es mir genauso: Ich liebe Schneeballhortensien, die ich nun in meinem Garten am Haus gepflanzt habe. Wilde Krokusse, die ich besonders schön finde, wachsen dort sogar von selbst. Äpfel und Kirschen gehören zu meinen Lieblingsfrüchten, weshalb ich beide Bäume in meinem Garten gepflanzt habe. Rosen faszinieren mich ebenso – ich habe sowohl eine Wildrose als auch eine Edelrose gesetzt und freue mich auf ihre herrlich duftenden Blüten. Die unterschiedlichen Gerüche, die Vielfalt der Pflanzen und die Möglichkeit, genau das anzubauen, was mir schmeckt, begeistern mich und machen meine Leidenschaft für die Gartenarbeit aus.


Figen Bozoglu: Mir macht die Arbeit im Garten viel Freude, weil ich sehe, wie alles wächst und gedeiht. Es ist schön, gemeinsam mit Selda zu pflanzen, zu pflegen und später die Früchte unserer Arbeit zu ernten. Besonders spannend finde ich es, neue Pflanzen auszuprobieren und zu sehen, wie sie sich entwickeln.
Selda Arslantekin: Der Schrebergarten wird in Zukunft überwiegend von meiner Assistenz und ihrer Familie genutzt. Ich werde dort hauptsächlich zur Ernte hingehen und gelegentlich gärtnern. In der Pergola darf meine Assistenz mit ihrer Familie die Abende genießen, Grillabende veranstalten und Feste feiern.
Der Garten an meinem Haus hingegen wird überwiegend von mir genutzt. Dort möchte ich eine Lounge zum Entspannen einrichten. Sobald der Steinofen repariert ist, hoffe ich, Pizza auf Steinplatten darin backen zu können. Mein Ziel ist es, viele Gäste zu empfangen und einfach die Natur und das Leben im Grünen zu genießen.
Figen Bozoglu: Meine Aufgabe als Assistentin wird es weiterhin sein, Selda bei all diesen Vorhaben zu unterstützen, ob beim Pflanzen oder bei der Pflege der Beete. Ich helfe dort, wo es nötig ist. Wir haben schon viel zusammen geschafft und gemeinsam umgesetzt!
Selda Arslantekin (54) und Figen Bozoglu (54) leben in Leutkirch im Allgäu.
Schwerpunktthema: Garten
„Düfte sind wie Seelen der Blumen; man kann sie fühlen.“ Das Zitat des französischen Gelehrten Joseph Joubert drückt aus, was im Botanischen Blindengarten Radeberg gelebt wird. In diesen und andere Gärten schnuppern die „Sichtweisen“ hinein. Denn nicht nur für die Augen können Gärten eine Pracht sein, sondern auch für die Nase und die Hände, unter deren Arbeit sie gedeihen.
- "Im Garten geht's mir einfach gut", sagt Kräuter-Expertin Marion Krause. Wie sie mit einem Team den Botanischen Blindengarten Radeberg nach einer Architektur der Düfte weiterentwickelt.
- Die sehbehinderte Selda Arslantekin findet ihr "Gartenglück dank Assistenz". Gemeinsam mit ihrer Assistentin Figen Bozoglu verwandelt sie zwei verwilderte Grundstücke in ertragreiche Nutzgärten.
- Früchte, Kräuter und einen Springbrunnen hat Rainer Heim auf seinem Balkongarten. Für ihn "ein Paradies auf kleinstem Raum". Er gibt Tipps für seheingeschränkte Gärtnerinnen und Gärtner.
- In welchen Botanischen Gärten blinde und sehbehinderte Menschen Führungen bekommen und "Schnuppern, fühlen und probieren" dürfen, hat die Sichtweisen-Redaktion zusammengestellt.