Delegierte aus vielen Ländern trafen sich Mitte Februar in Lissabon zur 12. Generalversammlung der Europäischen Blindenunion (EBU). Ein neues Präsidium wurde gewählt, das sich auf europäischer Ebene für die Rechte blinder und sehbehinderter Menschen einsetzen wird. Gewürdigt wurde das 40-jährige Bestehen der EBU. Ihr ehemaliger Präsident Wolfgang Angermann wurde für seine Verdienste geehrt.
„Engagement, Ausgeglichenheit, Einigkeit“: Unter diesem Motto oder vielmehr seinem englischen Pendant „Engagement, Balance, Unity“ kamen vom 11. bis 14. Februar Delegierte aus den Mitgliedsländern zur 12. Generalversammlung der Europäischen Blindenunion (EBU) zusammen. Die portugiesische Blinden- und Sehbehindertenorganisation ACAPO hatte dazu nach Lissabon eingeladen. Ein Anliegen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war es, sich zu vernetzen und auszutauschen. Als wichtiger Tagesordnungspunkt stand die Wahl des neuen EBU-Präsidiums auf dem Programm. Gefeiert und gewürdigt wurde das 40-jährige Bestehen der EBU.
Deutschland war bei der Generalversammlung vertreten durch Delegierte des DBSV, des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf und des Verbands für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik.
Die Versammlung markierte nicht nur das 40-jährige Bestehen der EBU, sondern auch den Beginn einer neuen Arbeitsperiode, in dem die Schwerpunkte für die nächsten vier Jahre festgelegt wurden. Die EBU hat sich drei große Arbeitsbereiche zur Priorisierung gesetzt: die Interessenvertretung und politische Einflussnahme, die Stärkung der Kapazitäten von Organisationen blinder und sehbehinderter Menschen in ganz Europa und die Unterstützung von blinden und sehbehinderten Menschen, um ihnen die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu ermöglichen.
Herausgefordert durch technischen Wandel
Die Versammlung bot Gelegenheit, die Errungenschaften der EBU in den vergangenen vier Jahrzehnten zu reflektieren. Ioannis Vardakastanis, Präsident des Europäischen Behindertenforums, würdigte die Rolle der EBU bei der Einführung wichtiger Gesetzesinitiativen wie dem European Accessibility Act, in Deutschland als Barrierefreiheitsstärkungsgesetz bekannt, und dem Vertrag von Marrakesch, der die Zugänglichkeit von Literatur in barrierefreier Form regelt.
Weitere Redner, darunter Arnt Beckstrøm vom norwegischen EBU-Mitglied, hoben die Bedeutung der Solidarität hervor: Sie habe die Gemeinschaft blinder und sehbehinderter Menschen in Europa seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wachsen lassen.
Neben der Würdigung vergangener Errungenschaften wurden auch aktuelle Herausforderungen diskutiert, insbesondere im Bereich der digitalen Barrierefreiheit. Bart Simons, EBU-Vertreter bei ANEC, der Europäischen Verbraucherschutzorganisation im Bereich der Normung, betonte die Bedeutung von Inklusion in einer Zeit des technologischen Wandels. Die Delegierten erörterten auch die Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz und die Bedeutung des Konzepts „Design for all“ bei der Entwicklung technologischer Lösungen.
Ein von vielen langersehnter Beschluss wurde gefasst: Die Geschäftsstelle der EBU wird von Paris nach Brüssel ziehen, um näher an den entscheidenden Gremien der EU zu sein. Es wird zunächst ein Teilumzug sein.
Anruf in die Ukraine
Per Videoanruf sprachen die Delegierten der Generalversammlung mit Mitgliedern der Nationalen Versammlung der Menschen mit Behinderungen in der Ukraine. Diese hoben die steigende Zahl blinder und sehbehinderter Menschen in ihrem Land seit dem Beginn der russischen Invasion hervor und betonten die Notwendigkeit menschenrechtsorientierter Rehabilitationspläne.
Wahl des EBU-Präsidiums
Ein bedeutender Teil der Generalversammlung war die Wahl des neuen EBU-Präsidiums, das von 2024 bis 2028 die Geschicke der EBU lenken wird. Zur neuen Präsidentin wurde Tytti Matsinen aus Finnland gewählt. Da sie die erste Frau in dieser Position ist, markiert ihre Ernennung einen historischen Moment für die EBU und unterstreicht ihr Engagement für die Rechte und Belange blinder und sehbehinderter Menschen. Das deutsche Präsidiumsmitglied wird zukünftig Sabine Ström sein. Sie ist Mitglied im Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin und engagiert sich im Europäischen Verband der Blindenführhunde.
Die gewählten Präsidiumsmitglieder bringen vielfältige unterschiedliche Erfahrungen mit. Durch diese Vielfalt können neue Ideen entstehen und die Mission der EBU vorangetrieben werden, hoffen viele Delegierte. Insgesamt wurde das Präsidium weiblicher und jünger und erreichte ein fast ausgeglichenes Geschlechterverhältnis, was eines der Ziele der EBU in den vergangenen Jahren war.
Während der Sitzungen der Generalversammlung wurde auch des Engagements von Rodolfo Cattani, María Kyriákou und Alexander Neumyvakin für die EBU gedacht. Alle drei waren Präsidiumsmitglieder in der letzten Legislatur und sind in den vergangenen zweieinhalb Jahren verstorben.
Ehrung verdienstvoller Mitglieder
Der scheidende Präsident, Wolfgang Angermann, wurde für seine Arbeit innerhalb und außerhalb der EBU zum Ehrenmitglied auf Lebenszeit ernannt. Hervorgehoben wurde seine jahrzehntelange internationale Arbeit seit der Gründung der EBU und seine kooperative, wertschätzende und einende Führung der EBU auch in schwierigen Zeiten.
Mokrane Boussaïd, ehemaliger Geschäftsführer der EBU, wurde für seine langjährige Arbeit in der EBU ebenfalls zum Ehrenmitglied auf Lebenszeit ernannt, und auch der scheidende Schatzmeister Philippe Chazal erhielt die Auszeichnung für seine Arbeit in der EBU.
Die Europäische Blindenunion (EBU)
Die Europäische Blindenunion (EBU) ist die Vereinigung nationaler Blinden- und Sehbehindertenorganisationen in Europa. Als starkes Netzwerk vertritt sie die Interessen blinder und sehbehinderter Menschen in Europa, engagiert sich als überregionaler Partner in der Weltblindenunion und stärkt die Zusammenarbeit und Kommunikation ihrer Mitglieder untereinander. Der DBSV engagiert sich federführend in mehreren Kampagnen und Projekten der EBU. Die EBU wurde 1984 in Hurdal (Norwegen) gegründet.
Ihre Mitglieder sind Organisationen aus 42 europäischen Ländern, vertreten durch je eine nationale Delegation. Die Mitglieder wählen alle vier Jahre ein Präsidium.
Schwerpunktthema Europa
Wenn im Juni das Europäische Parlament gewählt wird, blicken sicher auch die neuen Mitglieder des Präsidiums der Europäischen Blindenunion (EBU) gespannt auf die Ergebnisse. Denn das Parlament und andere EU-Gremien müssen überzeugt werden, die Rechte von Menschen mit Behinderung in allen Bereichen zu beachten. Keine leichte Aufgabe, das wissen auch Wolfgang Angermann, ehemaliger Präsident der EBU, und Sabine Ström, frisch ins EBU-Präsidium gewählt.
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