Die DBSV-Medienwelt: Ein Fenster zur Welt

· Christine Günzel

Taubblinde und hörsehbehinderte Menschen haben oft keinen Zugang zu Informationen, die nicht in Brailleschrift vermittelt werden. Um sie mit Wissenswertem aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport zu versorgen, gibt der DBSV seit vielen Jahren das „Tagesnachrichtenblatt für Taubblinde“ heraus. Die Redakteurin dieser „kleinsten Tageszeitung Deutschlands“ berichtet über ihre Arbeit.

Christine Günzel steckt in ihrem Büro die „Tagesnachrichten“ – mit Braille bedruckte Bögen – in einen großen Umschlag. Auf dem Schreibtisch liegen bereits mehrere befüllte Umschläge.
Bild: DBSV

Menschen, die nicht sehen und nicht hören können, haben keinen Zugang zum Fernsehen, zum Hörfunk und zu Printmedien. Der DBSV gibt darum das „Tagesnachrichtenblatt für Taubblinde“ heraus. Vor 41 Jahren entstand diese „kleinste Tageszeitung Deutschlands“. Die Zeitung ist ein Fenster zur Welt: Sie informiert hörsehbehinderte und taubblinde Menschen von montags bis freitags tagesaktuell. Mit den Händen erfahren sie das Wichtigste vom Weltgeschehen.

Die redaktionelle Verantwortung für die Zeitung trage ich, Christine Günzel: Seit 20 Jahren erstelle ich das Nachrichtenblatt. Ich bin 47 Jahre alt und selbst blind.

Aktuell werden von mir rund 70 taubblinde und hörsehbehinderte Menschen täglich per Post oder per Mail beliefert. Sie bekommen durch die Zeitung an fünf Werktagen die wichtigsten Informationen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport aus Deutschland, Europa und der Welt. Auch der Wetterbericht darf natürlich nicht fehlen.

„Bambi“ für Engagement

Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hatten wir auf Wunsch der Abonnenten auch ein Beiblatt mit Hintergrundberichten über die einzelnen Spiele angehängt. Dabei hat mir damals ein 13-jähriger blinder Schüler aus Marburg geholfen, der für dieses Engagement im November 2006 einen „Bambi“ (Medien- und Fernsehpreis) erhielt.

Die Tagesnachrichten enthalten keine tiefschürfenden Berichte über die verschiedenen Themen. Dafür gibt es andere Medien in Brailleschrift wie „Stern“ und „Die Zeit“. Auch Werbung enthält die Zeitung nicht, da es aufgrund der geringen Auflage und dem aufwendigen Druck für die Inserenten unrentabel wäre.

Die Zeitung hat einen durchschnittlichen Umfang von zwölf A4-Seiten, wobei die Meldungen schlicht hintereinander weg gedruckt werden, ohne optische Feinheiten. Die Seitennummerierung und Überschriften ermöglichen eine Orientierung zwischen den einzelnen Artikeln.

Die Meldungen basieren auf den Nachrichten von Deutschlandfunk. Sie werden auf einer barrierefreien Seite im Internet heruntergezogen, zusammengestellt und für die taubblinde Leserschaft aufbereitet und in Punktschrift gedruckt. Das bedeutet, ich übernehme sie nicht nur, sondern ich übersetze die Informationen in einfachere Sprache. Ich berücksichtige dabei, dass viele Leserinnen und Leser geringere Sprachfähigkeiten entwickelt haben. Komplexe Sprache ist für sie häufig nicht nachvollziehbar. Der Satzbau der „Tagesnachrichten“ ist deshalb schlichter, Fremdwörter werden vermieden oder erklärt.

Seit etwa zehn Jahren bieten wir auch die Möglichkeit, die Zeitung als E-Mail, also auf elektronischem Weg, zu erhalten. Das wird von einer Minderheit genutzt. Es bietet den Vorzug, die Meldungen tatsächlich tagesaktuell über eine Braillezeile zu lesen.

Kontakt zur Leserschaft

Angedacht war einmal, den Umfang der Zeitung auf einen Regionalteil zu erweitern. Jedoch wäre das ein erheblicher finanzieller Aufwand, da es in den einzelnen Regionen jeweils nur wenige Leserinnen und Leser gibt.

Aufwendig ist die Produktion auch deshalb, weil die Zeitung in zwei Schriften angeboten wird: in der normalen Brailleschrift, also der Vollschrift, und in Kurzschrift, eine Art Stenografie. Sie wird von rund 90 Prozent der Leserinnen und Leser bevorzugt.

Für die jährlichen Kosten kommt der DBSV auf, und auch Spendengelder werden für die Zeitung benötigt und genutzt.

Die Leserinnen und Leser sind mit den „Tagesnachrichten“ sehr zufrieden. Regelmäßiger Kontakt zwischen ihnen und mir ermöglicht eine ständige kritische und produktive Auseinandersetzung mit der Zeitung. Alle können jederzeit ihre Wünsche, Vorschläge und Kritik anbringen. Das nutzen auch einige, doch ich bekomme auch viel Anerkennung und erfahre viel herzliche Dankbarkeit. Der stetige Kontakt hatte beispielsweise zur Folge, dass wir das Erscheinungsbild der Zeitung schon mehrfach verändert haben.

Ein Problem teilen die „Tagesnachrichten“ mit anderen Tageszeitungen: Die Leserschaft altert, junge Abonnenten kommen kaum nach. Die meisten Leserinnen und Leser sind über 60 Jahre alt. Jüngere Leute lernen zusehends, sich mit Blindenschrift-Displays im Internet zu bewegen. Davor ist mir jedoch nicht bange, denn je mehr Möglichkeiten taubblinde und hörsehbehinderte Menschen nutzen können, um sich zu informieren, desto besser.

Allerdings freue ich mich über jede neue Anfrage, sei es für die Punktschriftausgabe oder für den Mailversand. Die herzliche Dankbarkeit der Menschen macht meine Arbeit so erfüllend.

Den Zugang zu den „Tagesnachrichten“ in Punktschrift oder als E-Mail ist für jeden taubblinden und hörsehbehinderten Menschen kostenlos möglich. Er sollte diese Berechtigung nachweisen können. Es wird auch geprüft, ob er oder sie bereits Mitglied in einem Verein des DBSV ist.

Christine Günzel nimmt Bestellungen entgegen unter Tel.: 0 30 / 28 53 87 - 210 oder E-Mail: c.guenzel@dbsv.org

Zu weiteren Informationen der "Tagesnachrichten für Taubblinde"

Schwerpunktthema Die DBSV-Medienwelt

Sie ist vielfältig, sie ist bunt und sie wächst: Die Medienwelt des DBSV hat sich in den vergangenen Jahren stark vergrößert – natürlich auch aufgrund der Digitalisierung. Und nun kommt ein weiteres Medium hinzu: Sichtweisen-online heißt die Website, auf der von nun an vertraute und neue Inhalte des Magazins zu finden sind. Welche Chancen das bietet und wie reichhaltig die Medienwelt des DBSV noch ist, zeigt dieser Schwerpunkt.

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