Hoffnung haben die Menschen seit jeher gehegt, und seit jeher haben sie sich auch Gedanken darüber gemacht: über das Für und Wider von Hoffnung, ob es sinnvoll ist, zu hoffen oder nicht. Wer sich einmal gründlich mit dem Thema Hoffnung und der Geschichte des Begriffes auseinandersetzen möchte, findet Wissenswertes und viele Anregungen in zwei Büchern. Wir stellen die beiden Werke vor.
Hoffnung kann stärken, beflügeln und eine tragende Säule im Leben von Menschen sein. Dennoch war und ist der Begriff nicht immer rein positiv besetzt. Zwei Autoren, Philipp Blom und Jonas Grethlein, haben sich intensiv mit dem Thema Hoffnung beschäftigt und jeweils ein Buch dazu geschrieben. Beide Bücher sind ungefähr zur gleichen Zeit, nämlich in der zweiten Jahreshälfte 2024, erschienen und auch als Hörbücher in den Hörbüchereien verfügbar. Die Autoren richten ihren Blick auch in die Vergangenheit, denn Hoffnung ist kein neuer Begriff.
„Hoffnung. Über ein kluges Verhältnis zur Welt“
So heißt das Buch von Philipp Blom. Der Autor (Jahrgang 1970) hat Philosophie, Geschichte und Judaistik studiert und arbeitet als Schriftsteller und Historiker.
„Vor der Aufklärung“, schreibt er, „war die Hoffnung Teil einer religiösen Welt. Sie galt dem Leben nach dem Tod, der Seele, der Ewigkeit.“ Damit ist nicht nur das Christentum gemeint, in dem Glaube, Liebe und Hoffnung zu den drei zentralen Tugenden wurden. Blom berichtet ebenso über Geschichten und Mythen aus der antiken Welt, in der Hoffnung, etwa von den griechischen Stoikern, auch skeptisch gesehen wurde.
Was Hoffnungslosigkeit bedeuten kann, zeigt der Autor am Beispiel einer Gruppe amerikanischer Ureinwohner. Hoffnungslosigkeit sei es, „keine Geschichte mehr zu haben, die in die Zukunft tragen kann, keine Lieder mehr zu singen“. Daraus ergibt sich für ihn als wichtiger Aspekt von individueller und kollektiver Hoffnung, „dass es möglich ist, an einem größeren Sinn teilzuhaben, eine Rolle zu spielen in einer Geschichte, die das eigene Leben übersteigt und in einen Kontext einordnet“.
Hoffnung, so ist bekannt, und auch Blom und Grethlein klammern diese Seite nicht aus, kann auch auf etwas Negatives zielen oder darauf gelenkt werden. Sie kann in betrügerischer Absicht geweckt, enttäuscht werden oder scheitern.
Fluchthelferin für unrealistische Erwartungen
„Ist Hoffnung Weltflucht?“ lässt Philipp Blom eine imaginäre Person fragen, an die sich sein Buch sozusagen in Briefform richtet. Seine Antwort lautet: „Sie neigt dazu, ja.“ Sie sei aber nicht dazu verdammt, Fluchthelferin für unrealistische Erwartungen zu sein. Vielmehr könne Hoffnung zu Veränderungen motivieren. Sie habe die Energie, „um auch in verzweifelten Umständen noch Strategien, Solidarität und Sinn zu finden“.
Die Frage nach Sinn ist bei ihm eng verknüpft mit der Frage, wie Hoffnung in der Zeit von Klimakatastrophe, dem Zusammenbrechen der Artenvielfalt und Kriegen möglich ist. Ein kluges Verhältnis zur Welt, wie es im Untertitel seines Buches heißt, bedeutet für ihn, auf Veränderungen im persönlichen und im sozialen Raum hinzuwirken, auf Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zum Beispiel.
Philipp Blom: Hoffnung. Über ein kluges Verhältnis zur Welt
Carl Hanser Verlag, München 2024
Seiten: 184
Als Hörbuch ausleihbar in den Hörbüchereien Leipzig, Münster, München, Hamburg, Marburg, Berlin.
Sprecher: Alexander Gamnitzer
Dauer: 5:45 Stunden
Illusion? Realitätsverweigerung?
„Hoffnung. Eine Geschichte der Zuversicht von Homer bis zum Klimawandel“ lautet der Titel des Buches von Jonas Grethlein. Der Autor (Jahrgang 1978) hat klassische Philologie und Geschichte studiert. Der international renommierte Altphilologe lehrt als Professor an der Universität Heidelberg.
Sein Werk ist das wissenschaftlichere der beiden, anspruchsvoller, aber auch strukturierter. Grethlein schlägt einen historischen Bogen von der frühgriechischen Dichtung und dem antiken Christentum über mittelalterliche Endzeiterwartungen und die Aufklärung bis hin zum 19. Jahrhundert und in unsere Zeit. Wir erfahren, worauf Menschen in den verschiedenen Epochen ihre Hoffnung gründeten. Wie betrachteten Philosophen das Phänomen Hoffnung? Wie sahen Religionsstifter und -kritiker sie, Märtyrerinnen und Literatinnen, Künstler und unter Gewalt Leidende?
Der Autor zitiert auch diejenigen, die in der Hoffnung eine Illusion sehen, eine Realitätsverweigerung. Ihre Stimmen gab es bereits in der Antike, und er findet sie auch in der heutigen Zeit. In diesem Zusammenhang zeigt er auf, wie unterschiedlich Hoffnung eingeordnet wurde: als Emotion, als Tugend oder als Haltung. Er selbst bezeichnet sie, da ihm die genannten Klassifizierungen ungeeignet erscheinen, als ein „Weltverhältnis“. Er schreibt: „Wer hofft, verhält sich zur Welt in einer bestimmten Weise.“ Wie, das beschreibt er in seinem Buch.
Die Flügel der Hoffnung nicht sinken lassen, das ist ein Fazit beider Werke – dem von Jonas Grethlein, der auch das Gedicht von Emily Dickinson zitiert („Hoffnung ist das Ding mit Federn“, vgl. S. 22) und dem von Philipp Blom. Im eigenen kleinen oder großen Wirkungskreis kann Hoffnung motivieren, positive Veränderungen herbeizuführen. Wer eines der Bücher liest oder sich anhört, wird vielen klugen Gedanken begegnen, die zu etwas anderem auffordern, als die Hände in den Schoß zu legen und auf ein gutes Ende zu hoffen.
Jonas Grethlein: Hoffnung. Eine Geschichte der Zuversicht von Homer bis zum Klimawandel
Verlag C. H. Beck, 2024
Seiten: 352
Als Hörbuch ausleihbar in den Hörbüchereien Leipzig, München, Berlin und Zürich.
Sprecher: Franz Szekerez
Dauer: 11:38 Stunden
Schwerpunktthema: Hoffnung
Hoffnung in scheinbar hoffnungslosen Zeiten: Um dieses Gefühl, diese Tugend, diese Haltung geht es in unserem Schwerpunkt. Menschen berichten, worauf sie hoffen. Einen tiefen Einblick in die Geschichte des Begriffs und was Hoffnung für Menschen in ihren jeweiligen Epochen bedeutete, erhalten alle, die zwei Bücher zum Thema lesen. Wir stellen sie vor. Die Berichte, die Bücher und auch die Zitate bekannter Frauen inspirieren zum Nachdenken über eigene Hoffnungen.
- Wir haben Menschen mit Augenerkrankungen gefragt, was sie „hoffen – für sich und für andere“. Ihre Antworten betreffen sowohl das Sehen, die Politik als auch das Leben selbst.
- Mit „Hoffnung von der Antike bis heute“ beschäftigen sich die Autoren Philipp Blom und Jonas Grethlein. Wir stellen beide Werke vor.
- „Hoffnung ist das Ding mit Federn“ für Emily Dickinson. Mit starken Worten haben sieben berühmte Frauen ihre Gedanken zum Thema Hoffnung festgehalten.