Der Anspruch auf Arbeitsassistenz endet nicht automatisch, nur weil man das Rentenalter erreicht hat. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in zwei Entscheidungen am 12. Januar 2022 klargestellt (BVerwG, Urteil vom 12.01.2022 Az.: 5 c 6.20 und Az.: 5 C 2.21). Zwei blinde Menschen, selbstständig tätig, hatten geklagt, weil die zuständigen Integrationsämter in Mecklenburg-Vorpommern und Hessen ihre Arbeitsassistenz nicht über das Renteneintrittsalter hinaus finanzieren wollten.
Dr. Michael Richter von der Rechtsberatungsgesellschaft des DBSV (rbm), hat beide Kläger vor dem Bundesverwaltungsgericht vertreten. Aus seiner Sicht sind die Entscheidungen Meilensteine für die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben und eine selbstbestimmte Lebensplanung. „Wenn behinderte Menschen sich bewusst für eine längere Erwerbstätigkeit entscheiden, dann muss ihnen auch die dafür nötige Arbeitsassistenz weiter gewährt werden“, erklärte Richter.
Begründung der Entscheidung
In einer Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts heißt es zur Begründung der Entscheidung, in der einschlägigen gesetzlichen Regelung in Paragraf 185 Abs. 5 SGB IX sei eine Altersgrenze weder ausdrücklich geregelt noch im Wege der Auslegung zu begründen. Der Anspruch setze nur voraus, dass der schwerbehinderte Mensch einer nachhaltig betriebenen Erwerbstätigkeit nachgehe, die geeignet sei, dem Aufbau bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen. Zum anderen sei erforderlich, dass tatsächlich Arbeitsassistenzleistungen erbracht werden, die zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile notwendig seien.