Historische Rückblicke, beherzte Ausblicke und ausgelassenes Feiern im Hier und Jetzt: Zwei Jubiläen gibt es in diesem Jahr in der DBSV-Familie. Der Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen feiert sein 100-jähriges, der Badische Blinden- und Sehbehindertenverein sein 125-jähriges Bestehen. Beide Organisationen stehen vor der Herausforderung, Ehrenamtliche zu gewinnen, und sind offen für Veränderungen.

„Blindenführhunde und Langstöcke prägten am Samstag das Stadtbild Stadtallendorfs zwischen Bahnhof und Stadthalle.“ So beginnt der Rückblick auf die Feierlichkeiten beim Blinden- und Sehbehindertenbund in Hessen (BSBH). Mit mehr als 400 blinden, sehbehinderten und sehenden Gästen aus ganz Deutschland feierte der Verein am 10. Mai seinen 100. Geburtstag.
Besucherinnen und Besucher erlebten in der Stadthalle ein umfangreiches Programm. Riesen-Dart, Hau-den-Lukas, Bullenreiten und Schokoladen-Tasting im Dunkeln wurden angeboten, musikalische Einlagen gehörten zur Bühnenshow. Auf dem Festgelände gab es eine historische Hilfsmittelausstellung. Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in Stadtallendorf unterstützten seheingeschränkte Feiernde bei der Orientierung.
Begleitet wurde die Feier von einem Festakt, dem unter anderem Dr. Daniela Sommer, die Vizepräsidentin des Hessischen Landtags, der hessische Behindertenbeauftragte Andreas Winkel und DBSV-Präsident Hans-Werner Lange beiwohnten. Grußworte und Anerkennung gab es aus der lokalen Politik.
Kontinuierliches Engagement
Bei der großen Vielfalt fällt es Marianne Preis-Dewey aus dem BSBH-Vorstand schwer, ein einzelnes persönliches Highlight herauszugreifen. „Ich fand es einfach schön zu sehen, wie viel Spaß unsere Mitglieder mit all dem hatten, was wir uns überlegt haben, und ich freue mich, wenn der Tag vielen in guter Erinnerung bleibt“, sagt sie rückblickend.
Gefeiert wurde nicht nur ein Fest, gefeiert wurden 100 Jahre Selbsthilfe in Hessen. Seit seiner Gründung setzt sich der BSBH für die Teilhabe blinder und seit 2000 auch für die sehbehinderter Menschen ein. Ein Meilenstein, stellvertretend für viele politische Erfolge, sei die Einführung des Hessischen Landesblindengeldgesetzes 1977 gewesen, erklärt Preis-Dewey. Sie betont, dass es weniger einzelne Momente seien, die die Arbeit des BSBH auszeichnen, sondern vielmehr das kontinuierliche Engagement. „Wir sind politisch sehr gut vernetzt und werden als Gesprächspartner auf Landesebene geschätzt und ernst genommen. Und mit Blickpunkt Auge haben wir ein flächendeckendes Angebot geschaffen, das vielen Menschen zugutekommt.“
Doch es gibt auch Herausforderungen. Das ehrenamtliche Engagement geht zurück – besonders, wenn es um die langfristige Übernahme von Verantwortung geht. „Wir müssen einen Weg finden, unsere Strukturen entsprechend dieser Herausforderungen anzupassen, stehen mit diesem Veränderungsprozess aber noch ganz am Anfang“, meint Preis-Dewey und wünscht sich für die Zukunft des Vereins, „dass es ihm immer gelingt, aktive Mitglieder zu finden, die die Vereinsarbeit tragen und mit Kreativität und Elan weiterführen, sowohl was die Angebote für Mitglieder vor Ort in den Bezirken angeht, als auch für die politische Arbeit von der kommunalen bis zur Landesebene.“
Strukturen auf dem Prüfstand
Die zunehmende Schwierigkeit, ehrenamtlich Aktive für die Selbsthilfe zu gewinnen, erfährt auch der Badische Blinden- und Sehbehindertenverein (BBSV). Er stellt sich der Herausforderung zum einen mit einer neuen Mitarbeiterin für Ehrenamtsgewinnung und -koordination. Zum anderen werde kritisch geprüft, inwiefern die jetzigen Vereinsstrukturen den zukünftigen Anforderungen gerecht werden können und welche neuen Wege es gibt, erklärt Karlheinz Schneider, Vorstandsvorsitzender des BBSV.
Auch sein Verein feiert in diesem Jahr ein großes Jubiläum. Ein Meilenstein auf dem 125-jährigen Weg war die Reaktivierung nach dem Zweiten Weltkrieg in der amerikanischen Besatzungszone in Nordbaden, nachdem der Verein während der NS-Zeit verboten war. Nach der Jahrtausendwende wurden in der ersten Zukunftswerkstatt Weichen für die weitere Vereinsarbeit gestellt und die Geschäftsstelle wurde um Beratungs- und Veranstaltungsräume erweitert.
Heute gibt es Beratung sowohl durch Blickpunkt Auge als auch eine Stelle für Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB). Als Highlight nennt Schneider den Einstieg in die professionelle und kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit, wozu unter anderem der etablierte Messeauftritt auf dem Mannheimer Maimarkt gehört.
Weitblick und Fingerspitzengefühl
Was der BBSV in 125 Jahren erreicht hat, wurde beim zentralen Festakt am 23. Mai in Mannheim gefeiert. Zu Gast waren Persönlichkeiten aus der Politik, Vertreterinnen und Vertreter der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe, Kooperationspartner und Aktive des Vereins. Neben einem Grußwort von Hans-Werner Lange, gab es ein Podiumsgespräch zum Thema Inklusion und Selbsthilfe sowie einen historischen Rückblick. Für die musikalische Unterhaltung sorgte die Frankfurter Band „Blind Foundation“.
Auf ihren jeweiligen Frühjahrsversammlungen hatten die fünf Bezirksgruppen des BBSV außerdem eigene regionale Jubiläumsfeiern für ihre Mitglieder.
Viel Erfolg als tatkräftige Selbsthilfeorganisation wünscht Schneider dem BBSV für die Zukunft. Dafür brauche es eine engagierte Leitung mit Weitblick und Fingerspitzengefühl für das Machbare. „Ich wünsche unserem Verein viele begeisterte ehrenamtlich Aktive, um die vielfältigen Aufgaben zu bewältigen. Dazu hoffentlich immer das notwendige Geld in der Kasse. Und letztlich die Offenheit für Veränderungen und den Mut Neues zu wagen. Denn wir wissen: Stillstand heißt Rückschritt.“