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Hilfsbereitschaft allerorten

· Marco Mers

Gute Organisation war das Wichtigste, bevor Marco Mers seine Reise rund um die Ostsee antrat, blind und alleinreisend. Mit Hilfe von Navigations- und Übersetzungs-Apps sowie freundlichen Menschen erreichte er seine Ziele in Polen, den baltischen Staaten, Finnland, Schweden und Norwegen. Sein Bericht erscheint auch in der neuen Ausgabe von „Weitersehen“, der jährlichen DBSV-Publikation, die im Oktober herauskommt.

Marco Mers in dunkler Jacke an einem weitläufigen Ostseestrand. Er hat kurzes Haar und lächelt. Der Himmel ist wolkenverhangen.
Marco Mers auf seiner Ostseerundreise  ·  Bild: privat

Als Jugendlicher träumte ich von einer Interrail-Reise, inspiriert durch meinen Bruder. Jahrzehnte später, im März 2023, wurde dieser Traum wahr. Zehn Reisetage, drei Wochen Zeit und ein Ziel: einmal rund um die Ostsee, allerdings ohne Sankt Petersburg. Für mich als blinden Alleinreisenden war eine gute Organisation essenziell: Apps mussten möglichst barrierefrei sein, Fahrkarten generierbar, Hilfe im Notfall erreichbar. Der Interrail-Pass allein genügte meist nicht, da Sitzplatzreservierungen oft erforderlich waren.

Die erste Fahrt von Berlin nach Warschau war die größte Hürde. Dank englischsprechendem Zugpersonal und der Unterstützung der Mobilitätsservicezentrale verlief jedoch alles reibungslos. In Warschaus U-Bahn half mir Google Maps zum Hotel – ein Erfolgserlebnis!

Herzliche Begegnungen

Der Ticketkauf für die Weiterfahrt in die litauische Hauptstadt Vilnius gelang mit Hilfe meines Abholers. In Vilnius lernte ich die öffentlichen Busse kennen, navigierte mit einer barrierefreien App und wurde beim Verlassen einer Mall spontan von einer sechsköpfigen Gruppe zum Hotel begleitet.

Hilfsbereitschaft prägte viele Etappen, auch auf dem Weg nach Daugavpils in Lettland, wo mir Fahrgäste sogar ein Taxi organisierten. Die Sprachbarriere war hier groß, doch der Google-Übersetzer wirkte Wunder.

In Daugavpils fand ich mich mit Hilfe von Leitlinien und Google Maps gut zurecht. Die Stadt wirkte russisch geprägt, doch viele sprachen Englisch. Nach einer angenehmen Fahrt ging es weiter in die Hauptstadt Lettlands, nach Riga – eine Stadt voller Gegensätze: Musik, Altstadt mit Kopfsteinpflaster, moderne Haltestellen mit Leitsystemen. Mein Versuch, Tickets digital zu kaufen, scheiterte, doch ein Kiosk half mir weiter. In einem Randbezirk traf ich auf sanierungsbedürftige Straßen und brauchte fast eine Kletterausrüstung zum Überqueren der Schienen.

Bus, Schiff und Musik

Zur Halbzeit drohte meine Hotelwäsche nicht rechtzeitig zurückzukommen, aber sie wurde noch vor meiner Abfahrt geliefert. Die Reise in die Hauptstadt Estlands, Tallinn, erfolgte per Bus – mit Leitsystem am Terminal! In Tallinn begleitete mich ein Helfer beim Turmfest entlang der Stadtmauer von Konzert zu Konzert.

Mit dem Schiff ging es weiter nach Helsinki, von wo aus ich eine Nachtfahrt nach Rovaniemi, ebenfalls in Finnland, antrat. Endlich war ich nicht mehr allein – ein Freund erwartete mich und entführte mich in die Natur Lapplands. Danach folgte die nächste Etappe: Mit dem Bus ging es nach Luleå in Schweden. Dort wagte ich einen Tagesausflug nach Narvik in Norwegen. Leider war das Wetter miserabel und die Stadt enttäuschend.

Zurück in Luleå traf ich vor meinem Nachtzug eine Frau, mit der ich spontan essen ging. Die Zeit verflog, beinahe hätte ich den Zug verpasst – sie brachte mich sogar zum Bahnhof. Im Nachtzug nach Stockholm zeigten mir meine schwedischen Abteilnachbarn eine App zur Nutzung der U-Bahn.

Stockholm war freundlich, sonnig und hilfsbereit. Der Schärengang am Nachmittag war ein gelungener Abschluss. Im Zug Richtung Heimat entstand fast eine kleine Clique im Abteil. Deutschland empfing mich mit Bahnverspätung, aber auch mit Kaffee, Franzbrötchen und Pützchens Markt in Bonn, wo ich Freunden gleich von meiner Reise erzählte.

Fazit: Barrieren gab es überall, aber nicht mehr als zu Hause. Manchmal war der Ticketkauf ohne Hilfe schwierig oder eine App nicht barrierefrei. Doch viel häufiger begegneten mir Hilfsbereitschaft, Offenheit und Abenteuerlust. Interrail kann süchtig machen. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie mich – oder starten Sie selbst!

Marco Mers (51) lebt und arbeitet in Bonn.

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