Wer Texte barrierefrei gestalten will, findet hilfreiche Tipps auf leserlich.info. Die Website des DBSV vermittelt, wie einzelne Zeichen, Wörter und ganze Texte so gestaltet werden, dass auch Menschen mit Seheinschränkung sie lesen können. Nun wurde die Seite überarbeitet und ins Englische übersetzt. Das neue leserlich.info geht im Dezember online. Professor Florian Adler erklärt im Interview, was ergänzt wurde und welche Bedeutung die Website hat.
Herr Professor Adler, könnten Sie bitte kurz erläutern, was die Website leserlich.info ist und worüber sie informiert?
leserlich.info ist ein Online-Leitfaden zu inklusivem Kommunikationsdesign für Menschen mit und ohne Sehbehinderung. Dort erläutern wir die wichtigsten Faktoren für die Leserlichkeit von Schrift und die Lesbarkeit von Text auf Basis des heutigen Forschungsstands und der einschlägigen Normen. Besonders relevant für die Leserlichkeit von Schrift ist die DIN 1450, an der sowohl Vertreter des DBSV als auch ich selbst im Kreis von vielen anderen Fachleuten mitgewirkt haben. Wir haben vor einigen Jahren mit einer Fokusgruppe des DBSV, an der Betroffene der verbreitetsten Augenerkrankungen beteiligt waren, diese Faktoren überprüft und Empfehlungen für die Praxis formuliert. Neben diesen Empfehlungen gibt es auf leserlich.info auch einen Schriftgrößenrechner und einen Kontrastrechner zur individuellen Bestimmung ausreichender Schriftgrößen und Farbkontraste für Print- und Online-Medien.
Warum ist die Website wichtig?
Nun, es gibt zwar verstreut in der Fachliteratur inzwischen eine Reihe von Beiträgen zum Thema barrierefreies Design, aber mir ist bisher kein vergleichbares Medium bekannt, in dem dieses Wissen so fokussiert und praxisnah zusammengefasst ist.
Das zeigen uns auch zahlreiche sehr positive Zuschriften an die Redaktion von leserlich.info. Gerade für junge Designerinnen und Designer ist heute ein Online-Angebot unverzichtbar, weil das natürlich wesentlich leichter zugänglich ist als eine abstrakte DIN-Norm, die dazu auch noch Geld kostet.
Die Website wurde kürzlich ins Englische übersetzt. Warum?
In den vergangenen Jahren haben wir leserlich.info auf vielen nationalen und auch internationalen Design-Konferenzen, an Hochschulen und in Unternehmen der Pharma- und der Automobilindustrie vorgestellt. Im Jahr 2022 habe ich ein Trimester lang inklusives Design am Hongkong Design Institute unterrichtet. Überall konnten wir feststellen, dass das Interesse an konkreten Arbeitshilfen für ein inklusives Kommunikationsdesign groß ist. Dieses internationale Interesse wollen wir aufnehmen und die Reichweite von leserlich.info durch das englischsprachige Angebot entsprechend vergrößern.
In diesem Jahr wurde leserlich.info überarbeitet. Welche Änderungen wurden vorgenommen, und welche Bedeutung haben sie für Grafikdesigner und -designerinnen und alle, die sich mit Textveröffentlichungen beschäftigen?
Wir haben einige fachliche Aktualisierungen und Ergänzungen vorgenommen, zum Beispiel eine Abbildung im Kapitel „Textarten“ hinzugefügt. Den Kontrastrechner haben wir jetzt mit einer Umschaltmöglichkeit zwischen Text und Hintergrundfarbe ausgestattet.
Der Schriftgrößenrechner enthält nun auch Angaben zu Schautexten, also Überschriften. Die waren bisher nicht berücksichtigt, weil es dafür sehr wenige Vorgaben gibt. Wir haben ein neues Kapitel zur Textgestaltung in Videos eingeführt und dafür noch einmal mit einer Fokusgruppe des DBSV zusammengearbeitet.
Die Empfehlungen für Zeichenabstände haben wir entsprechend einer Korrektur in der DIN 1450 angepasst. Auch unsere Angaben zu Leuchtdichtekontrasten haben wir etwas konkretisiert, dazu hatten wir wertvolle Hinweise von einem Leser erhalten. Die Fußnoten sind jetzt nach Web-Standard WCAG-konform verlinkt.
Und wir haben die Startseite neu gestaltet, mit direkten Einstiegen über sogenannte Teaserbilder, um die Zugänge in die Themen noch attraktiver zu machen. Insgesamt finden Gestalterinnen und Gestalter jetzt also noch mehr Erläuterungen und praktische Arbeitshilfen zu allen Faktoren, die die Leserlichkeit von Schrift und Lesbarkeit von Text unterstützen.
Welche Änderung ist die wichtigste?
Die schon genannte internationale Zugänglichkeit durch das englischsprachige Angebot ist uns besonders wichtig. Wir sehen, dass Designberufe tendenziell englischsprachig orientiert sind und dass wir damit unsere Reichweite enorm erweitern können.
Sie haben eben schon angedeutet, dass Sie Feedback auf die Seite erhalten. Welche Rückmeldungen bekommen Sie von Menschen, die Texte für möglichst viele lesbar gestalten möchten?
Wir bekommen seit 2017, also seitdem leserlich.info online ist, immer wieder dankbare und manchmal sogar begeisterte Kommentare, weil die Bereitschaft und der Bedarf, barrierefreie Medien zu gestalten, sehr groß ist. Das praxisorientierte Wissen dazu wird aber noch zu wenig vermittelt. Ich sehe das auch in meinen Seminaren an Hochschulen, wo das Thema Diversität ja einen großen Stellenwert besitzt.
Wem dürfen blinde und sehbehinderte Menschen leserlich.info ans Herz legen?
Allen, die mit Kommunikationsdesign zu tun haben, ob als Verantwortliche, die Aufträge an Grafikerinnen und Grafiker vergeben, oder als Gestaltende. Denn inklusives Design nutzt Menschen mit und ohne Sehbehinderung gleichermaßen.
Alle Neuerungen sind von Dezember an auf leserlich.info zu finden.
leserlich.info wird seit dem Start von MSD unterstützt.
Zur Person: Professor Florian Adler
Professor Florian Adler studierte Visuelle Kommunikation an der Hochschule der Künste Berlin und führt seit 1989 das Designbüro adlerschmidt, das unter anderem für das Corporate Design der Bundesregierung verantwortlich war. Seit 2002 unterrichtet er Kommunikationsdesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin; seit 2010 ist er Mitglied im DIN-Ausschuss „Schriften“ und von 2015 bis 2017 führte er für den Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Inklusives Kommunikationsdesign“ durch.