Der DBSV hat bei seiner Verbandsratssitzung am 24. und 25. Mai in Düsseldorf einen Appell gegen rechtsextreme Kräfte verabschiedet. Warum das aus Sicht einer Organisation für Menschen mit Behinderung wichtig war und das Thema weiterhin gemeinsame Anstrengungen verlangt, erklärt DBSV-Präsident Hans-Werner Lange im Interview. Ebenso spricht er über Mängel in der augenmedizinischen Versorgung.
Herr Lange, das wichtigste Thema beim Verbandsrat war ein Appell gegen rechtsextreme Kräfte, den die Delegierten einstimmig verabschiedet haben. Darin wird dazu aufgerufen, gemeinsam für Demokratie und gegen rechtsextreme Tendenzen einzutreten. Inwiefern können nun weitere gemeinsame Aktionen entstehen?
Es war wichtig, dass wir geschaut haben: Wo stehen wir in Deutschland im Augenblick? In der Gesellschaft ist Rechtsextremismus inzwischen ein riesiges Thema, und wir, der DBSV, haben uns ja auch an der Brandmauer gegen Rechts beteiligt. Ein Partner dabei war der Paritätische Bundesverband. Jetzt geht es darum, innerhalb unserer DBSV-Familie für dieses Thema zu sensibilisieren, um rechtzeitig auf rechtsextreme Entwicklungen reagieren zu können. Das müssen wir innerhalb der Szene der Behindertenverbände gemeinsam tun, weil Rechtsextremismus im weitesten Sinne für uns heißt, dass Inklusion auf Dauer in Frage steht. Es hängen all die wichtigen sozialen Errungenschaften daran, die für uns als behinderte Menschen eine große Bedeutung haben. Wir werden gemeinsam darauf achten müssen, dass die besonderen Leistungen für behinderte Menschen eben nicht in Frage stehen. Genauso müssen wir darauf achten, dass wir als behinderte Menschen von der rechten Szene nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Die AfD wird nicht explizit genannt in dem Appell. Ein Gastredner – Jan Riebe von der Amadeu Antonio Stiftung – hat aber beim Verbandsrat darüber referiert, wie die Partei zu Inklusion steht. Was ergibt sich für den DBSV aus seinem Vortrag, in dem er unter anderem darauf hinwies, dass die AfD teilweise andere glauben macht, sie sei nicht behindertenfeindlich?
Uns allen ist klargeworden, dass die AfD eine Strategie verfolgt, Vertrauen aufzubauen und behinderte Menschen dafür zu gewinnen, sich mit ihrem Gedankengut auseinanderzusetzen. Obwohl – und das hat Jan Riebe in exzellenter Weise nachgewiesen – sie sich in vielen Punkten selbst widerspricht. Argwohn ist darum notwendig. Im Parteiprogramm der AfD stehen viele Dinge, die für behinderte Menschen, meinen wir, höchst fragwürdig sind. Insbesondere haben wir das Gefühl, dass versucht wird, verschiedene Behindertengruppen gegeneinander auszuspielen. Das darf nicht passieren. Wir müssen geschlossen zueinander stehen, um uns gegen rechte Ansinnen zu verteidigen und um klarzumachen, dass wir dafür nicht zur Verfügung stehen. Wir müssen die AfD im Grunde genommen ablehnen, und das haben wir verdeutlicht. Ein Miteinander mit der AfD auf Bundesebene, aber auch auf Landesebene, darf es nicht geben, und das gilt meines Erachtens auch für den kommunalen Bereich.
Ein weiterer Gastredner war Prof. Dr. Dr. Robert Finger, Direktor der Uni-Augenklinik Mannheim. Er hat über die augenmedizinische Versorgung in Deutschland gesprochen. Einige Kritikpunkte wurden, auch im Gespräch danach, deutlich: fehlende präventive Angebote, wenig Bewusstsein für den Bedarf an Reha und die mangelnde Versorgung von Menschen, die etwa in Pflegeeinrichtungen leben. Der DBSV kritisiert diese Dinge auch immer wieder, aber geändert hat sich noch nicht viel. Woran liegt das?
Die Politik wird ihrer Verantwortung nicht gerecht. In Sonntagsreden wird zwar immer wieder von Prävention und dem Ausbau der medizinischen Versorgung gesprochen und dass gerade für ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen etwas passieren müsse, aber letztlich fehlen die Rahmenbedingungen. Dazu würden barrierefreie Praxen gehören oder Ärzte und Fachärzte, die in die Einrichtungen gehen. Ein gesunder Mensch kann kilometerweit zu irgendeiner Praxis fahren, und sie sich vielleicht auch noch aussuchen, aber bei alten kranken Menschen fehlt es oft an Mobilität. Das kritisieren wir, da muss etwas passieren, da muss die Politik ihrer Verantwortung gerecht werden, und darauf werden wir weiter drängen.
Ebenso müssen wir uns intensiv dafür einsetzen, dass die Prävention auch den Stellenwert bekommt, den wir ihr zumessen. Früherkennungsuntersuchungen sind entscheidend, wenn es um spezifische Augenkrankheiten geht, sie müssen zur Regelversorgung werden und dürfen keine IGel-Leistung sein, für die der Einzelne individuell aufkommen muss. Da haben wir in Deutschland einen riesigen Nachholbedarf.
Diskutiert wurde zu einem vereinfachten Beitrittsverfahren: Ein Online-Formular soll auf niederschwellige Art ermöglichen, einem Landesverein beizutreten. Welche Hoffnungen werden damit verknüpft?
Die Hoffnung ist natürlich, Menschen unsere Arbeit nahezubringen, und wenn wir sie nahegebracht haben oder sie sich für das Thema der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe interessieren, sie gegebenenfalls eine Mitgliedschaft bei uns erwirken. Im Prozess „DBSV 2030“, der sich dem Thema Weiterentwicklung der DBSV-Familie widmet, haben wir festgestellt, dass die Rahmenbedingungen zum Beitritt in allen Landesvereinen sehr unterschiedlich sind, und dass es sinnvoll wäre, ein Verfahren zu finden, mit dem man niederschwellig und einfach eine Mitgliedschaft begründen kann. Klar, die Datenschutzbestimmungen müssen beachtet werden und die Mitgliedschaft muss rechtlich sicher sein. Das Procedere dafür werden wir entwickeln. Wir hoffen, dass wir dadurch in den nächsten Jahren vergleichbare oder gleiche Aufnahmebedingungen in ganz Deutschland haben werden.
Wir brauchen diesen niederschwelligen Zugang, damit die Leute erstens schnell von unseren Angeboten partizipieren können, und zweitens, um uns als DBSV-Familie kennenzulernen. Ich verspreche mir von einem niederschwelligen Aufnahmeverfahren, mehr Menschen motivieren zu können, bei uns mitzutun, sich einzuklinken in unsere Arbeit.
Noch ein Wort zum Louis Braille Festival Anfang Mai in Stuttgart: Das wurde beim Verbandsrat hochgelobt. Wie fanden Sie es?
Toll, anders kann ich es nicht sagen! Es war eine Superveranstaltung, es hat alles klasse funktioniert. Wir haben mehr als 5.000 Besucherinnen und Besucher gehabt, davon ein Drittel blinde und sehbehinderte Menschen. Es war also ein großes Fest der Inklusion, ein Familienfest im eigentlichen Sinne. Wir wollten, dass blinde und sehbehinderte Menschen sich auch als Anbietende zeigen können, etwa im Bereich Kunst und Kultur, mit dem, was wir können und was wir leisten. Das alles ist hervorragend gelungen – dank der super Organisation, die wir gemeinsam mit der Nikolauspflege und dem Blinden- und Sehbehindertenverband Württemberg auf die Beine gestellt haben. Auch die Stuttgarter sind dazugekommen, und das hat das Fest zu einem einzigartigen Ereignis gemacht. Am Applaus bei der Samstagabendshow haben wir gehört, dass die Menschen wollen, dass wir möglichst in vier Jahren das nächste Louis Braille Festival veranstalten, und das wollen wir gern tun. Wo, das werden wir sehen, aber ich freue mich darauf, wenn wir das wieder auf die Beine stellen.