Mehr Tempo beim Braillelesen

· Sonja Schmidt und Katerina Athanasiadou

Beim Lesen von Brailleschrift schneller voranzukommen ist möglich. Durch regelmäßige Übungen, Tasttechniken und kognitive Strategien, kann das Lesetempo effektiv erhöht werden. Auch das soziale Umfeld, Aufwärmübungen und Lesegruppen können eine Rolle spielen. Fundierte Tipps hat die Braille-Arbeitsgruppe der Europäischen Blindenunion erarbeitet. Unsere Autorinnen stellen einige davon vor.

Wer seine Geschwindigkeit beim Lesen der Brailleschrift erhöhen möchte, kann das mit einfachen Übungen und Strategien tun. Ein schnelleres Lesetempo bringt viele Vorteile, sei es im Alltag, beim Studi

Zwei manikürte Hände lesen Brailleschrift auf weißen Seiten.
Bild: Adobe Express

Wer seine Geschwindigkeit beim Lesen der Brailleschrift erhöhen möchte, kann das mit einfachen Übungen und Strategien tun. Ein schnelleres Lesetempo bringt viele Vorteile, sei es im Alltag, beim Studieren oder einfach für den Lesegenuss. Um den Einstieg zu erleichtern, folgt eine Sammlung hilfreicher Tipps, mit denen sich das Lesetempo gezielt steigern lässt. Sie ist im Rahmen eines Projekts der Braille-Arbeitsgruppe der Europäischen Blindenunion entstanden.

Konsequentes Training

Ein besonders wirkungsvoller Ansatz ist konsequentes Training. Tägliches Lesen von Braille – sei es in Büchern, Zeitungen oder auf Etiketten im Alltag – fördert die Entwicklung eines flüssigeren Tempos. Das Lesen unterschiedlicher Texte trägt zur Flexibilität bei, während das erneute Lesen bereits bekannter Inhalte den Fokus auf Geschwindigkeit und Genauigkeit lenkt, ohne dass neue Informationen ablenken.

Effiziente Tasttechniken

Effiziente Tasttechniken spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Die Nutzung beider Hände kann den Lesefluss erheblich verbessern: Während eine Hand die aktuelle Zeile abschließt, beginnt die andere bereits mit der nächsten. Manche Leserinnen und Leser setzen zusätzlich die Mittelfinger ein, um den Text noch schneller zu erfassen.

Die Umstellung auf solche Methoden erfordert etwas Übung, führt aber oft zu einer spürbaren Steigerung der Lesegeschwindigkeit. Ein leichter Fingerdruck auf die Braille-Punkte erhöht die Sensibilität, reduziert Ermüdung und verbessert die Genauigkeit.

Vorbereitung: Aufwärmen

Auch kleine Vorbereitungen wie das Aufwärmen der Hände oder das Achten auf trockene, saubere Finger können den Tastsinn unterstützen.

Lautes Lesen mit Feedback hilft, Schwachstellen zu erkennen

Kognitive Strategien

Neben motorischen Aspekten spielen auch kognitive Strategien eine wichtige Rolle. Das Überfliegen von Texten, also das gezielte Erfassen kommender Wörter oder Satzstrukturen anhand des Kontexts, beschleunigt die Informationsaufnahme. Dabei geht es zum Beispiel darum, nicht jeden einzelnen Buchstaben längerer Wörter gründlich zu erfassen.

Lautes Lesen

Lautes Lesen mit Feedback von anderen kann helfen, Schwachstellen zu erkennen und einen flüssigeren Rhythmus zu entwickeln. Eine Lehrperson kann beispielsweise rückmelden, wo Lesefehler gemacht wurden. Ebenso kann das synchrone Mitlesen mit einer anderen Person oder einer Aufnahme dabei unterstützen, sich an ein höheres Tempo zu gewöhnen und mehr Sicherheit zu gewinnen.

Soziales Umfeld

Unterstützung aus dem Umfeld ist oft eine wertvolle Hilfe. Der Austausch mit erfahrenen Braille-Leserinnen und -Lesern oder das gemeinsame Üben in einer Lesegruppe kann motivieren und praktische Impulse liefern. Eine gute Anlaufstelle für Lernpartnerschaften sind zum einen die örtlichen Blinden- und Sehbehindertenvereine, zum anderen Online-Plattformen wie das offSight-Forum des DBSV oder Facebook-Gruppen für blinde und sehbehinderte Menschen. Auch innerhalb der Familie lassen sich Fortschritte fördern, indem regelmäßig gemeinsam geübt wird oder erreichbare Ziele gesetzt und gefeiert werden.

Durch haptisches Lesen die Lesefähigkeit erhalten

Technische Hilfsmittel bieten zusätzliche Unterstützung. Elektronische Braillezeilen und Lern-Apps ermöglichen interaktives Üben und den Zugriff auf eine breite Auswahl an Texten. Mit der App „Braille Trainer“, die es sowohl für iOS als auch Android gibt, kann etwa die Braille-Vollschrift sowie die Kurzschrift geübt werden. Während Screenreader und Audio-Medien eine sinnvolle Ergänzung darstellen, bleibt das haptische Lesen dennoch unerlässlich, um die eigene Lesefähigkeit nachhaltig zu entwickeln und zu erhalten.

Letztlich geht es bei der Steigerung der Braille-Lesegeschwindigkeit nicht nur um Zahlen, sondern auch um Unabhängigkeit, Selbstvertrauen und eine erleichterte Informationsverarbeitung. Durch regelmäßiges Üben und die Offenheit für neue Methoden lassen sich deutliche Fortschritte erzielen – und möglicherweise sogar die Freude am Lesen neu entdecken.

Wer den kompletten wissenschaftlichen Artikel mit Hintergründen und Studienverweisen lesen möchte, findet die englische Version online.

Zum englischsprachigen PDF der EBU

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