Allein fliegen: Blind um die Welt

· Lisa Mümmler

Eine Flugreise allein anzutreten, schreckt viele blinde und sehbehinderte Menschen ab. Wie gelingt Orientierung im Flughafen? Was, wenn sich kurzfristig das Gate ändert? Und wo geht es zum Check-in? Flughafenpersonal und Fluggesellschaften bieten umfangreiche Hilfe für Menschen mit Sehbehinderung an. Wie die Unterstützung aussieht und wo sie anzumelden ist, verrät dieser Artikel.

Ein Flugzeug in der Luft, von schräg unten fotografiert. Der Himmel ist blau, die Wolken golden angestrahlt.
Ein Flugzeug in der Luft, von schräg unten fotografiert. Der Himmel ist blau, die Wolken golden angestrahlt.  ·  Bild: Pixabay/Albrecht Fietz

Ich habe Herzklopfen bis zum Hals, während ich am Frankfurter Flughafen auf einer Holzbank sitze – den Langstock gut sichtbar in der Hand, das Flugticket griffbereit auf dem Smartphone. Eine Mitarbeiterin der Deutschen Bahn hat mich vom Zug abgeholt und dem Mobilitätsservice des Flughafens Bescheid gegeben. Es geht nach Costa Rica mit Zwischenstopp in Paris. Nun warte ich nervös auf meine erste Flugreise, die ich ohne private Begleitung antrete.

Wer in ferne Länder reisen möchte, kommt um einen Flug kaum herum. Natürlich zieht es auch sehbehinderte und blinde Menschen in den Urlaub. Doch nicht immer steht eine Begleitung zur Verfügung. Für diesen Fall gibt es Hilfe.

Zuerst die Rechtslage

Seit 2008 stärkt die EU-Verordnung (EG) 1107/2006 die Rechte von behinderten und mobilitätseingeschränkten Flugreisenden. Fluggäste dürfen danach nicht aufgrund einer Behinderung diskriminiert werden. Das bedeutet: Fluggesellschaften müssen Menschen mit Behinderung und Mobilitätseinschränkungen einschließlich benötigter Mobilitätshilfen und anerkannter Assistenzhunde befördern und bestimmte Hilfeleistungen an Flughäfen und während des Fluges anbieten.

Solche Hilfen sind unter anderem die Begleitung durch Flughafenpersonal durch die Sicherheitskontrolle zum Flugzeug oder Hilfen beim Umstieg. Die Rechte aus der EU-Fluggastrechteverordnung gelten generell bei der Nutzung von Flughäfen innerhalb der EU, der Schweiz, Norwegen und Island und bei Flügen nach Europa aus dem außereuropäischen Ausland, wenn die Fluggesellschaft eine Zulassung in der EU oder den drei genannten Staaten hat. Wird die Unterstützung nicht gewährt, kann man sich beschweren und seine Rechte auch durchsetzen. Hier hilft beispielsweise die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

So geht’s: Unterstützung (rechtzeitig) anmelden

Zunächst muss die benötigte Unterstützung angefordert werden. Dies sollte idealerweise direkt bei der Flugbuchung geschehen, kann aber bis 48 Stunden vor Abflug nachgeholt werden. Ein einheitliches Verfahren gibt es nicht. Bei manchen Fluggesellschaften kann bereits bei der Online-Buchung das entsprechende Häkchen gesetzt werden. Bei anderen ist ein zusätzlicher Anruf bei der Service-Hotline notwendig. Entsprechende Informationen lassen sich bei der jeweiligen Airline übers Internet oder telefonisch in Erfahrung bringen.

Wie die praktische Umsetzung aussieht, lässt sich am Beispiel des internationalen Flughafens Frankfurt am Main (FRA) erkennen. Der Betreuungsservice, der Fluggäste mit Behinderungen begleitet, heißt FraCareServices. Dessen Unterstützung erfolgt wie beschrieben durch Anmeldung des Hilfebedarfs bei der Fluglinie.

Gemeinsam mit Mitarbeitenden von FraCare geht es durch die einzelnen Stationen des Flughafens bis ins Flugzeug. Wo Hilfe notwendig ist, wird sie gewährt, und Fluggäste mit Behinderung erhalten einen Prioritätsstatus. Das bedeutet, sie müssen bei der Sicherheitskontrolle nicht in der Schlange stehen, sondern werden vorgelassen, auch beim Boarding. Weite Strecken werden meistens mit einem Fahrzeug zurückgelegt. Das FraCare-Personal unterstützt überdies beim Kauf von Verpflegung und beim Auffinden der barrierefreien Toiletten.

Unterstützung in der Luft

Im Flugzeug hilft die Flugbegleitung blinden und sehbehinderten Passagieren. Es erfolgt eine individuelle Sicherheitseinweisung mit Hinweisen auf Fluchtwege und Verhalten im Notfall. Das Bordpersonal unterstützt beim korrekten Verstauen des Gepäcks, bei der Auswahl des Menüs und beim Weg zum WC. Nach der Landung gibt es Assistenz beim Ausstieg aus der Maschine und beim Verlassen des Flughafens.

Vergünstigungen mit Schwerbehindertenausweis

Das Innere einer Flugzeugkabine, schräg von hinten nach vorne über mehrere Sitzreihen aufgenommen.
Bild: Pixabay/friasfoto

Pauschale Vergünstigungen mit Schwerbehindertenausweis gibt es nicht. Mit dem Merkzeichen B befördern einige Airlines eine Begleitperson kostenfrei oder zu einem reduzierten Preis. Bei vielen Fluggesellschaften gibt es keinen Preisnachlass.

Blindenführhunde dürfen mit in die Kabine. Wichtig ist, sich vorab über die Einreisebestimmungen am Zielort zu informieren. In bestimmten Ländern sind Impfungen oder Wurmkuren nachzuweisen.

Flugreisen mit Sehbehinderung alles in allem gut machbar

Wie in vielen anderen Situationen ist Spontaneität für blinde und sehbehinderte Menschen auch beim barrierefreien Fliegen ein Luxus. Ebenso wie verlässliche einheitliche Regelungen. Eine unbegleitete Flugreise ist in jedem Fall mit Mehraufwand und Recherche verbunden – jedoch machbar. Die Informationen sind meist leicht zugänglich über die jeweiligen Websites und Telefonhotlines der Fluggesellschaften. Es gilt wie so oft: Lieber einmal mehr nach Unterstützung, Ermäßigungen und Sitzplätzen fragen. Abgesehen vom erhöhten Planungsaufwand im Vorhinein sind Flugreisen für sehbehinderte und blinde Menschen ohne private Begleitung möglich.

„Bienvenido a San José“, heißt mich ein Flughafenmitarbeiter in Costa Ricas Hauptstadt willkommen, als ich begleitet von einer Stewardess aus dem Air-France-Flieger steige. Endlich angekommen! Und obwohl meine eigentliche Urlaubsreise noch vor mir liegt, habe ich bereits viel Neues erlebt. Reibungslos und geradezu gemütlich brachte mich der Begleitservice in Frankfurt zum Check-in, mit Priorität durch die Sicherheitskontrolle und schließlich bis zu meinem Sitzplatz im Flugzeug. Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich eine Sicherheitseinweisung, von der ich etwas hatte. Bei der Zwischenlandung auf französischem Boden ging es dann ganz anders zu: wie ein Staffelstab wurde ich von einer zur nächsten Person weitergereicht, die mich Stück für Stück durch die Abschnitte des Flughafens schleusten. Alle fragten sie mich, ob ich Französisch spreche und alle wollten sie, dass ich mich in einen Rollstuhl setze.

So unterschiedlich die helfenden Hände in drei Ländern waren, ich habe mich stets sicher, respektiert und gut aufgehoben gefühlt. Jetzt kann der Urlaub losgehen.

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